Deutsche Imkerin Alarmstimmung

Mysteriöses Bienensterben bedroht die Existenz der deutschen Züchter. Womöglich Bayer-Chemikalie schuld

MÜNCHEN taz ■ Das größte Bienensterben aller Zeiten befürchten Experten. 13 Milliarden Tiere in bundesweit 820.000 Völkern seien bedroht, sagte der Chef des Instituts für Bienenkunde in Münster, Werner Mühlen, gestern. „Viele Stöcke sind einfach nur leer.“ Zurzeit rechnet er mit einem Verlust von 30 Prozent. Da viele Völker geschwächt in den Winter gegangen seien, könne sich das Massensterben aber schon im April auf 70 Prozent erhöhen. Woran das liegt, ist unklar. Mühlen und andere Bienenforscher vermuten, dass die Varroa-Milbe verantwortlich ist. Die Imkerschaft bekämpft sie mit chemischen Mitteln, gegen die die Milben aber immer wieder Resistenzen entwickeln.

Experten vom Naturschutzbund Nabu glauben hingegen, dass das Massensterben auf das Konto einer Chemikalie geht, mit der die Rapsbauern ihr Saatgut behandeln. Agrarexperte Florian Schöne: „Das Saatgutbehandlungsmittel Gaucho der Firma Bayer ist schuld. Untersuchungen in Frankreich haben ergeben, dass das Insektizid an einem Verlust von bis zu 50 Prozent der Bienenvölker beteiligt sein kann.“ Daher fordert der Nabu gemeinsam mit dem Berufsimkerbund (DIBB) ein Anwendungsverbot für das Insektizid, das vor allem in der Raps-, Zuckerrüben- und Maisherstellung eingesetzt wird. Für diese Theorie spricht, dass viele Imker von zusammengebrochenen Völkern berichten, die keine Zeichen von Milbenbefall tragen und meist auch in der Nähe von Mais- oder Rapsfeldern ihr Nektar-Sammelgebiet haben.

Die Imker selbst haben aber noch einen anderen Grund für das Bienensterben gefunden: Es mangelt an Nachwuchs. Wo es keine Imker gibt, gibt es auch keine Bienenvölker. Professor Kaspar Bienefeld vom Länderinstitut für Bienenkunde Hohen Neuendorf nennt Zahlen: Jährlich gibt es zwei Prozent weniger Imker. Die Folge: Auch die Bienenbestände schrumpfen – allein in den neuen Ländern von 4,5 Völkern pro Quadratmeter vor der Wende auf weniger als ein Prozent. „Ein Teufelskreis“, berichtet Bienefeld. Weniger Pflanzen werden bestäubt, sterben aus und mit ihnen die Wildbienen.

In einem Punkt sind sich aber alle einig: Es muss schnell etwas geschehen. Die Milbe Varroa destructor reiste mit Forschern 1977 nach Deutschland ein. Sie ist stecknadelkopfgroß und nistet sich in Bienenstöcken ein, knackt die Larven, saugt sie aus. Den finanziellen Schaden durch die Winterverluste 2002 schätzt man bereits auf 1 bis 1,5 Millionen Euro. Der Verbraucher merkt es kaum. Die 1,4 kg Honig, die sich statistisch jeder Deutsche jährlich aufs Brot streicht, stammen nur zu 20 Prozent von den 90.000 deutschen Imkern. Der überwiegende Teil – 2001 waren es knapp 72.000 Tonnen – wird vor allem aus Argentinien und Mexiko importiert.

KATHRIN BURGER