Brasiliens Arbeiterpartei im Korruptionssumpf

Video führt zur Entlassung eines wichtigen Mitarbeiters der Regierung. Präsident Lula versucht Schadensbegrenzung

PORTO ALLEGRE taz ■ Die brasilianische Regierung kämpft mit ihrer ersten Korruptionsaffäre. Ein jetzt der Presse zugespieltes Video aus dem Jahr 2002 zeigt Waldomiro Diniz, den damaligen Chef der Lotteriegesellschaft von Rio de Janeiro, bei Verhandlungen mit einem Glücksspielunternehmer. Der als „Karlchen Wasserfall“ bekannte Mafioso wollte seine Geschäfte in Rio ausweiten. Im Gegenzug verlangte Diniz monatliche Spenden für den Gouverneurswahlkampf und eine Provision für sich selbst.

Der Schatten dieser Enthüllungen fällt vor allem auf Präsidialamtsminister José Dirceu, den Chefstrategen von Präsident Lula. Diniz, ein alter Vertrauter Dirceus, war für die Verhandlungen mit den Abgeordneten zuständig, bei denen die Regierung ihren Rückhalt im Kongress täglich neu sichern muss. Zudem war er die „Brücke“ zwischen Brasília und Rios Gouverneurin Rosinha Garotinho, deren Mann Anthony 2006 wieder als Präsidentenkandidat antreten will.

Gleich nach der Veröffentlichung des Videos am Freitag wurde Diniz entlassen. Hinter der Indiskretion steckt offenbar ein sozialdemokratischer Senator, der das Video Anfang Februar erhalten haben will. Andere Parlamentarier vermuten, die Sozialdemokraten könnten peu à peu weiteres kompromittierendes Material streuen – eine Methode, die die Arbeiterpartei PT zu Oppositionszeiten ebenfalls gezielt eingesetzt hatte.

Dirceu soll bereits im vergangenen Jahr Hinweise auf Diniz’ Aktivitäten als Lottofunktionär erhalten haben. Bei einem kurzen Auftritt im Senat sagte er vorgestern, die Regierung habe mit dem Fall nichts zu tun. Lula gab die Order aus, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu verhindern, für den die Opposition bereits Unterschriften sammelt. Er hat Angst vor einem Skandal.

Jedoch ist unwahrscheinlich, dass ausgerechnet der Kongress eine lückenlose Aufklärung vorantreiben würde. Denn Praktiken à la Diniz gehören in Brasilien zum politischen Alltag. Gerade die bürgerlichen Parteien haben diesbezüglich einiges auf dem Kerbholz.

Wie eh und je werden korrupte Politiker und Funktionäre am ehesten von der Presse und einzelnen Staatsanwälten zu Fall gebracht. Nach dem Mord an einem PT-Bürgermeister in Santo André sitzt als Hauptverdächtiger ein mit dem Opfer befreundeter Unternehmer in Haft, der in dubiose Geschäfte mit der Stadtverwaltung verwickelt war.

Trotz einer entsprechenden Verpflichtung des Kandidaten Lula im September 2002 habe es die Regierung bislang versäumt, „systematisch und organisiert“ gegen die Korruption vorzugehen, kritisiert Cláudio Weber Abramo von Transparency International. Für die PT ist der politische Schaden schon jetzt enorm. Nachdem sie entgegen ihrer Wahlversprechen auf einen Wandel in der Wirtschaftspolitik verzichtet habe und sich unfähig zeige, eine Sozialpolitik auf die Beine zu stellen, urteilt der Kolumnist Clóvis Rossi, gebe die Arbeiterpartei mit ihrem Image als „ethische“ Partei ihr letztes „symbolisches Erbe“ auf.

GERHARD DILGER