Verständiges Wohlwollen

Von legalen Verschlüsselungen und unzulässigen Geheimcodes: Wer mit seinem Arbeitszeugnis unzufrieden ist, muss nicht gleich klagen. Oft hilft schon ein klärendes Gespräch

von ANDREAS WITTKOPP

Jedes Jahr wechseln rund fünf Millionen ArbeitnehmerInnen in Deutschland den Arbeitsplatz. Sie alle haben nach der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses ein Anrecht auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis. Das muss neben den Personalien, der Dauer der Beschäftigung und den geleisteten Tätigkeiten auch eine Beurteilung der Führung und Leistung während der Beschäftigung enthalten. Doch genau da kommt es immer wieder zu Missverständnissen. Denn nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) aus den sechziger Jahren ist ein Arbeitgeber verpflichtet, das Zeugnis mit „verständigen Wohlwollen“ abzufassen, so das es einer späteren Arbeitsaufnahme nicht im Wege steht.

Das hat in vergangener Zeit dazu geführt, dass Zeugnisaussteller zum Beispiel bei unterdurchschnittlichen Leistungen der Arbeitnehmer auf eine Verschlüsselungstechnik mit positiv klingenden Formulierungen zurückgreifen. Dazu der Personaltrainer Roger Henrichs von der Personalberatung 2coach.de, der auch bei Wiedereingliederungsseminaren der DAA-Stifung „Bildung und Beruf“ berät: „Die häufigste Form der verschlüsselten Bewertung ist das Weglassen der Abschlussformel. Wenn ein Arbeitgeber weder seinen Dank, noch das Bedauern des Ausscheidens aus der Arbeitsstelle bekundet, kann man davon ausgehen, dass er froh ist, den Mitarbeiter los zu sein.“ Während eine solche Auslassung nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) aus dem Jahr 2001 zulässig ist, ist die Verwendung eines Geheimcodes nach der Gewerbeordnung jedoch nicht erlaubt. Die Trennlinie zwischen Verschlüsselungstechnik und Geheimcode ist allerding manchmal schwammig.

Auslassungen sind nach dem Gesetz zulässig

Legale Verschlüsselungen, die auf negative Umstände während einer Beschäftigung hinweisen sind Auslassungen (wenn zum Beispiel nur das Verhalten gegenüber den Kollegen, nicht aber gegenüber den Vorgesetzten erwähnt wird), Negationstechniken („keinen Anlass zu Beanstandungen“) oder Ausweichtechniken, wo Selbstverständliches wie Pünktlichkeit hervorgehoben wird. Zudem hat sich ein standardisiertes Vokabular von Attributen und Steigerungsformen entwickelt, das von Personalchefs in der Regel eindeutig verstanden wird. Auch ein Laie kann mit der entsprechenden Literatur oder auf Internetseiten seine Benotung entschlüsseln (siehe Kasten).

Unzulässig dagegen sind Formulierungen wie „bewies Einfühlungsvermögen“ (weist auf sexuelle Annäherungen und/oder Homosexualität hin) oder Hinweise auf die Geselligkeit im Kollegenkreis, was auf Alkoholkonsum am Arbeitsplatz deutet. „In Hamburg verwendet aber kaum ein Zeugnisaussteller mehr solche Formulierungen, da es sich herumgesprochen hat, dass unser Arbeitsgericht in solchen Fällen arbeitnehmerfreundliche Urteile fällt“, so Personalberater Henrichs.

Diese Urteile der Arbeitsgerichte sind der Leitfaden für Personalchefs, um eventuellen Klagen entgegenzuwirken. Claus Reiz, Personalchef bei Beiersdorf: „Die Art der Berurteilungen in Arbeitszeugnissen ist im Wesentlichen von der Rechtsprechung geprägt. Dadurch sind wertende Aussagen oft wenig aufschlussreich, so dass wir uns lieber ein persönliches Bild von den Bewerbern machen.“ Das heißt aber nicht, dass Zeugnisse deswegen wertlos wären. „Sie sind noch immer ein wertvoller Hinweis auf vorherige Tätigkeiten“, so Reiz. Nach einem Urteil des BAG dürfen daher auch nur unwesentliche Tätigkeiten in einer Auflistung fehlen.

Ist man mit seinem Zeugnis unzufrieden, muss nicht gleich ein Prozess angestrebt werden, sagt die Arbeitsrechtlerin Carola Greiner-Mai von der Kanzlei Bertelsmann + Gäber: „Wir raten unseren Klienten zunächst ein klärendes Gespräch zu suchen und helfen bei der Formulierung eines neuen Zeugnisses. Meistens reicht das schon, da die Arbeitgeber keine Lust auf langwierige Prozesse haben.“

Richter drängen auf gütliche Einigung

Kommt es jedoch zur Klage vor dem Arbeitsgericht, bleibt es in der Regel beim ersten Termin, der Güteverhandlung. „Die Richter drängen auf eine gütliche Einigung, weil den Arbeitnehmern nur eine schnelle Einigung hilft“, so die Arbeitsrechtlerin. Denn ein Prozess ums Arbeitszeugnis kann sich aufgrund der schwierigen Beweislage hinziehen.

Grundsätzlich gilt, dass bei unterdurchschnittlichen Beurteilungen der Arbeitgeber beweispflichtig ist, bei überdurchschnittlichen Behauptungen der Arbeitnehmer. In der Praxis seien Formulierungen, wie „wurde unseren Anforderungen gerecht“ oder „hat sich bemüht“ kein Durchschnitt mehr, berichtet Greiner-Mai. Prozesskosten fallen bei Arbeitsgerichten erst nach einem Urteil an, so dass die Güteverhandlung für Kläger kostenlos ist.

Der beste Weg, Problemen mit Arbeitszeugnissen aus dem Weg zu gehen, ist sie selber vorzuformulieren. „Viele Personalchefs haben keine Lust auf diese Arbeit oder sind auch nicht kompetent genug, um die möglichen Fallen zu erkennen. Die Erfahrung zeigt, dass rund 70 Prozent der Arbeitnehmer an der Formulierung des Zeugnisses beteiligt sind“, so Roger Henrichs.