Erst war das Ei und dann der Hase

Auch wenn Weihnachten als PR-Veranstaltung für die Kirche unschlagbar ist: Das wichtigste Fest der Christen heißt Ostern. Und der Fragen sind viele: Wo sind die Menschen zwischen Tod und Jüngstem Gericht? Was aßen Mönche in der Fastenzeit? Fragen an Wilhelm Tacke, Katholik vor dem Herrn

taz ■ Klar: Morgen geht’s raus ins Grüne zum Ostereier suchen. Heute Abend vielleicht zum Osterfeuer. Gestern gab’s nur Fisch, sonst nix. Noch nichtmal Osterwiese. Die muss alljährlich schließen am Tag der Kreuzigung des Herrn. Die Ostertage sind voller Bräuche und Gewohnheiten und daher heutzutage voller Geheimnisse. Wer weiß schon, dass es die Reformierten waren, die den Osterhasen quasi als Anti-Ei erfunden haben? Im Gespräch mit dem Sprecher der katholischen Kirche in Bremen, Wilhelm Tacke, geht die taz ein paar offenen Osterfragen auf den Grund.

taz: Heute endet die Fastenzeit. Um die 40 Tage besser zu überstehen, brauten katholische Mönche das Starkbier ...Wilhelm Tacke: Nicht nur das! Die waren sowieso erfinderisch. Die haben Tiere, bloß weil sie vorübergehend im Wasser leben, zu Fischen deklariert – Biber zum Beispiel. Und da konnten sie in der Fastenzeit verspeist werden. Das sind so die Tricks, die manche für typisch katholisch halten. Vielleicht sind sie’s auch.

Was ist mit dem Bier?Die Mönche mussten ja auch in der Fastenzeit malochen. Nun hatten die zwar keinen Arbeitstag wie heute bei Mercedes am Band, aber immerhin. Darum hat man das Starkbier gebraut, das einem zu den Kalorien verhalf. Aber da konnte man wohl nicht einfach in den Keller gehen und abzapfen. Ich denke mal, der Abt hielt da den Finger drauf.

Was war erst da, Hase oder Ei? Am wahrscheinlichsten ist die Deutung, dass der Osterhase quasi eine evangelische Erfindung ist, wie ja auch der Adventskranz aus dieser Ecke kommt. Auf der katholischen Seite gab es diese Tradition mit den vielen Eiern. Die übrigens daher rührt, dass es zu Ostern einen Eierstau gab, weil man die Eier mit zur Fleischspeise rechnete – in ihnen befand sich ja ein Embryo in nuce. In der Fastenzeit waren sie also tabu. Auf diese Eierbräuche folgte nun eine vehemente evangelische Kritik, der reichliche Genuss der Eier führe zu Erkrankungen, ein Franziskaner habe gar sein Leben eingebüßt! Die Lutheraner störte auch die Rolle des Eis in der katholischen Osterfeier. Aber auf lange Sicht konnte auch die evangelische Kirche nicht verhindern, dass das säkularisierte, bemalte und versteckte Ei immer mehr Anhänger fand. Und irgendwie hat man dann den Osterhasen auf evangelischer Seite erfunden und ihn mit den Eiern in Verbindung gebracht. Die bunten Eier wurden dabei dem Osterhasen zugeschrieben, weil er flinker ist und die Hennen keine bunten, verzierten Eier legen konnten. Fakt ist: Der Osterhase wird erst mit der Säkularisierung am Ende des 18. Jahrhunderts populär.

Die Katholiken behaupten, das Ei sei ein Symbol der Auferstehung. Würde man das solide Halbwissen der Menschen auf der Straße abfragen, würden sie sagen: Quatsch, das Ei ist ein heidnisches Symbol der Fruchtbarkeit. Zunächst mal: Die Idee, unsere Osterbräuche auf heidnische Traditionen zurückzuführen, stammt aus den vorigen beiden Jahrhunderten. Besonders aus der Nazi-Zeit, denn die hatten ein Interesse daran, die jüdischen Wurzeln des Christentums zu desavouieren und etwa die heidnische Göttin ‚Ostara‘ in den Vordergrund zu rücken.

Also hat es auch nichts mit dem Heidentum zu tun, dass der Termin fürs Osterfest vom Vollmond abhängt?Da gibt es sicherlich einen Zusammenhang mit den Erntefesten. Aber in erster Linie geht das christliche Ostern auf das jüdische Pesach-Fest zurück – die Erinnerung an den Auszug aus Ägypten. Die jüdische Religion ist ja auch die, die dem Christentum zeitlich benachbart ist. Wohingegen zwischen dem Heidentum und dem Christentum eine große Lücke klafft. Und der jüdische Kalender ist ein Mondkalender, also ein floatender.

Ostern ist das wichtigste Fest der Kirche. Gleichzeitig findet der größte Rummel zu Weihnachten statt. Grämt man sich da als Kirchenmann?Die frühen Christen haben gedacht, dass die Wiederkunft des Herrn noch zu ihren Lebzeiten stattfindet. Dann haben sie mitgekriegt, das dauert wohl noch ein bisschen, und von da an haben sich die Christen weniger für das Ende interessiert, sondern auf den Anfang, die Geburt. Ich hab damit keine Probleme. Als jemand, der die Werbetrommel für die katholische Kirche rührt, kann es ja gar kein besseres Fest geben.

Zurück zur Wiederkunft des Sohn Gottes. Sie ist gleichbedeutend mit dem Jüngsten Gericht, das, wie Sie sagen, schon eine Weile auf sich warten lässt. Wo sind eigentlich die Menschen zwischen ihrem Tod und dem jüngsten Gericht?Nach mittelalterlicher Auffassung schaffen es diejenigen, die gut genug waren, um in den Himmel zu kommen, also bei Gott zu sein, das erst nach einer Läuterungszeit im Fegefeuer. Und die anderen gehen sofort in die Hölle.

Dann gibt es ja eine Art Vorverurteilung – das klingt aber unchristlich.Nun, ganz geklärt ist diese Frage nicht. Viele Theologen gehen ja davon aus, dass die Hölle leer ist, weil Gott auch dem Schlimmsten noch eine Chance gibt, zu ihm zu kommen. Andererseits gibt es ja katholischerseits den Heiligenkult. Und der bedeutet ja nichts anderes, als dass es jemand schon vor dem jüngsten Gericht wegen seiner guten Taten an die Seite Gottes geschafft hat. Dann gibt es da noch so eine Geschichte aus den apokryphen Evangelien, also aus den Texten, die nicht in den Kanon des Neuen Testaments aufgenommen wurden. Darin gibt es als eines der Osterbilder die ‚Höllenfahrt‘. Christus wird dargestellt mit der flatternden Siegesfahne, die wir vom Osterlamm kennen. Der mit den Wunden Versehene ist nicht tot, sondern er lebt! Und dieser Christus reicht zur geöffneten Tür drei Leuten die Hand. Er steht dabei auf dem Teufel, dessen Kopf er mit dem Fuß niederdrückt. Also, nach der Auferstehung hat Christus in der Vorhölle die Pforten geöffnet und die Gefallenen gerettet.

Dann wären also alle aus dem Schneider, die nach Jesu Auferstehung gestorben sind?Ja.

Fragen: Elke Heyduck