Die Super-Vitrine

Das gläserne Entree zum Zentralbereich der Bremer Universität ist ein Stück hochdekorierte Architektur. Die Hauptfassade ist großflächig, verglast – das kann man getrost „spektakulär“ nennen

taz ■ Zweifellos, die neue Uni-Halle kann sich sehen lassen. Auch die Jury des Bundes der Architekten (BDA) konnte dem Eindruck nicht widerstehen – der Entwurf des Hamburger Architekturbüros Jan Störmer gehört zu den vier Preisträgern des vergangenen Jahres.

Ausgesprochen fotogen ist die von schlanken V-förmigen Stützenpaaren getragene fünfzehn Meter hohe Super-Vitrine, das gläserne Entree zum Zentralbereich der Bremer Universität. Ihre großflächige, verglaste Hauptfassade, die an eine vertikal vorgespannte Drahtseilkonstruktion angehängt ist, kann man getrost „spektakulär“ nennen. Bei Sturm baucht sie nach innen, fast wie ein Segel.

Die neue Halle funktioniert ganz in dem Sinn, den Kommunalpolitiker gern mit „Attraktivierung“ umschreiben. Im Grunde geht es in solchen Fällen darum, mit Baumaßnahmen ein Image aufzupolieren. Da gab es an diesem Ort einiges nachzuholen. Denn während im Umfeld der Uni der Technologiepark wuchs und vom neuen technisch-naturwissenschaftlichen Schwerpunkt kündete, sah es im Zentrum immer noch wie Mitte der siebziger Jahre aus: Mit dem Betonfertigteil-Konstruktionen verknüpfte sich auch das Image der „linken Kaderschmiede“.

Das Ziel des 1994 ausgeschriebenenen Wettbewerbs war die komplette Neuordnung des Zentralbereichs. Ausdrücklich erwartet wurden von der neuen Architektur „zeichenhafte Eigenschaften“. Letzteres ist Jan Störmer, der damals noch mit seinem Londoner Partner Will Alsop zusammen arbeitete, gelungen. Seine Neubauvorschläge lassen sich unschwer als bauliche Antithesen zur wuchtigen Siebzigerjahre-Architektur erkennen.

Das wird gerade dort am deutlichsten, wo sich Alt- und Neubauteile berühren: Schwere Beton-Brüstungsbalken gehen über in transparente Metallgeflechte, klare Primärfarben kontrastieren zum Grau des Betons, ein lichtes und luftiges Raumarrangement ersetzt düstere Fertigteilstrukturen.

Allerdings ist diese Symbolik durchaus ambivalent, wo nicht problematisch. So berufen sich die Baumeister bei der Uni-Halle auf das Bild eines Flughafens oder Bahnhofs. Auf klassische Orte des Übergangs also.

Vielleicht liegt es ja an der demonstrativen Coolness der Halle, dass sich in dem stickigen Labyrinth des Geisteswissenschaften II-Gebäudes noch immer leichter ein urbanes Milieu zu entfalten vermag. Gänzlich ins Hintertreffen gerät aber das, was man im Planerjargon als „Aufenthaltsqualität“ bezeichnet, auf dem neu gestalteten so genannten „Boulevard“, der erhöht liegenden Hauptverbindungsachse zwischen Mensa und Vorlesungsgebäude.

Hier setzt ein schmales Dachelement ein dynamisches Zeichen, im Vergleich zur vorherigen dunklen Betonüberdachung wirkt alles lichter. So sind die vom Wasser unterspülten klappernden Pflasterziegel eher Symptome als Schönheitsfehler des neuen Zentralbereichs.

Dass in der hypermodernen Halle ständig einige der automatischen Türen nicht funktionieren, hätte Jacques Tati sicher zu einer schönen Filmszene inspiriert. Aber den Eindruck der Halle zerstören kann das nicht.

Eberhard Syring