Tête à tête im Rendezvous

Wo lässt man wochenends die Puppen tanzen, wenn man sich für pubertäre Rockschuppen zu angejahrt fühlt? Beim Tanztee im Rendezvous treffen sich Menschen, die Walzer, Foxtrott und Cha-Cha-Cha zum Leben brauchen. Seit nunmehr 15 Jahren

„Eigentlich kann man nur wünschen, dass sich hier keiner kennen lernt“, gibt Wilfried Gieseke zu und nippt an seiner Weinschorle. „Dann werden die nämlich träge und tanzen nicht mehr.“

Gieseke arbeitet als DJ im Tanzcafé Rendezvous an Bremens ältester Straße, dem Herdentorsteinweg, und eine gähnend leere Tanzfläche ist ihm ein Alptraum. Auf seinem Plattenteller drehen sich Andrea Berg, Brunner & Brunner und „alles, was auf dem Schlagermarkt gang und gäbe ist.“

Nebenbei ist Gieseke auch für Beleuchtung und Dekoration zuständig, seine Frau Karin steht hinter der Theke. Im Mai feiert das Ladenbesitzerpaar „15 Jahre Tanzcafé Rendezvous“. Das bedeutet: 15 Jahre Disco für Menschen ab 35 an jedem Wochenende, und 15 Jahre lang immer mittwochs und sonntags Tanztee für Menschen ab 50.

Im Regal hinter der Theke sitzt ein Plüschaffe. Er glotzt auf die Polsterbestuhlung, glotzt auf das Discokugelflimmern vorne auf der Tanzfläche und auf Karin Gieseke am Tresen – laut Ehemann die Seele des Ladens.

„Vor meiner Frau haben alle Respekt. Als sie Geburtstag hatte, stand der ganze Tresen voller Blumen, so beliebt ist sie.“ Karin Gieseke lächelt und trocknet ein Bierglas ab. Bockwurst gibt es hier für 2,10 Euro, D.I.S.C.O. für drei Euro Eintritt.

Brigitte Siegmeyer gibt indes ihre Jacke bei Rentnerin Thea an der Garderobe ab. Sie trägt ein schillerndes Collier, der Kragen ihres Kleides ist mit großen schwarzen Rosen besetzt. „Die meisten Gäste sind Stammkunden“, sagt Wilfried Gieseke und nickt dabei grüßend zu Brigitte hinüber.

Sie komme schon seit Anbeginn ins Tanzcafé, das bis vor fünf Jahren noch seinen Sitz im Pizza Hut-Gebäude am Bahnhof hatte, erklärt sie. „Hier kann ich auch mal in einem richtig eleganten Kleid hingehen“. „Anderswo wird man da komisch angeschaut.“ Bis um 21.40 Uhr hat sie einen Stadtbus gelenkt, die Linie 25 oder 26 vielleicht. Danach ist sie schnurstracks zum Herdentor gekommen.

„Ich hab’ meine Klamotten heute Morgen schon bereitgelegt, damit es nachher schneller geht“, sagt sie und muss lachen. „Ich brauch’ das Tanzen zum Leben.“ Bärbel, die mit am Tisch sitzt, ist derselben Meinung. „Man will ja mal Abwechslung.“ Und beide bedauern, dass es in Bremen für ihre Altersgruppe sonst kaum Angebote gibt. Dann wird Bärbel aufgefordert – eine neue Tanzrunde hat begonnen.

Im Rendezvous gönnt man den Gästen nämlich nach einer handvoll Songs ein Plauderpäuschen. „Man muss sich zwischendurch auch mal unterhalten können, ohne zu schreien“, sagt Wilfried Gieseke. Außerdem habe das große Vorteile: Ungelenke Tanzpartner lassen sich in der Pause höflich und diskret abwimmeln.

Heute ist nur wenig los im Tanzcafé. Es ist Osterwiese, und außerdem hat das gute Wetter kurzerhand die Datschensaison eröffnet. „Im Herbst wird das wieder anders, wenn Firmen oder Kegelclubs unterwegs sind“, sagt Gieseke. Dann plant der 55-jährige Gastronom hier auch Jazzabende mit Live-Bands.

Bärbel lässt sich inzwischen – ermattet von der Tanzrunde – in ihren Polsterstuhl fallen. Und Brigitte erzählt von ihrem Vater, der nach einem Schlaganfall im Heim lebt. Wenn sie Zeit hat, bringt sie ihn am Sonntagnachmittag zum Tanztee ins Rendezvous. „Da lebt er richtig auf“, sagt sie. Der älteste Tanztee-Charmeur hier ist stolze 92 Jahre alt.

Ob es an der höheren Lebenserwartung des weiblichen Geschlechts liegt oder an männlicher Bewegungsmuffeligkeit – im Rendezvous herrscht chronischer Frauenüberschuss. Wilfried Gieseke ist darüber leicht besorgt: „Wir suchen händeringend Männer, tanzfreudige Männer!“

Susanne Polig

Rendezvous, Herdentorsteinweg 38. Geburtstagsfeier am 17. Mai. Gesucht werden noch Bands für die Herbstsaison Kontakt: ☎ (0421) 124 35