40 Prozent finden die SPD verfilzt

Neue Umfrage-Ergebnisse belegen: Das Mobilisierungsproblem der Bremer SPD ist massiver als bislang bekannt. Außerdem finden es 55 Prozent der Bremer „wichtig“, dass die Bundesregierung bei der Bürgerschaftswahl eine Quittung bekommt

Der derzeitige Vorsprung der SPD ist kein Ruhekissen für die Partei

taz ■ Eine Pressekonferenz gab es nicht. Dabei sind die bislang veröffentlichten Ergebnisse der von der Bundes-SPD in Auftrag gegebenen Bremer Wahlanalyse für die SPD ganz vorteilhaft. Bislang unveröffentlichte Ergebnisse der repräsentativen Umfrage von Infratest dimap zeigen die Bremer SPD in einem anderen Bild. Das geht aus der gesamten der taz vorliegenden Auswertung der Wahlprognose hervor. So ordnen 40 Prozent der Befragten der SPD den Begriff „Filz“ zu (CDU: 24 Prozent). Das sei für die SPD ein „problematisches Feld“ – wie die innere Sicherheit. 44 Prozent der Bremer ordnen „Sicherheit“ der CDU zu, nur 36 Prozent der SPD. Dafür meinen glatte 74 Prozent, „Bremen“ und „SPD“ gehörten zusammen, für die CDU finden dies nur 15 Prozent. Weitere Vorsprünge hat die SPD bei den Themen „Toleranz“, „Gerechtigkeit“ und „Glaubwürdigkeit“.

Fazit von Infratest dimap: Derzeit sei die Situation für die Bremer SPD „außerordentlich gut“. Dennoch sei die Bürgerschaftswahl „noch keineswegs entschieden“. Die Zahlen belegten, „dass die SPD ein deutlich größeres Mobilisierungsproblem als die CDU hat.“ Deren Anhänger seien derzeit „viel entschlossener – etwa wie bei der Hessen- und Niedersachsen-Wahl“, erläutert Infratest-Geschäftsführer Richard Hilmer.

Für Bremer Journalisten war es am Dienstag ein ernsthaftes Problem, an die Umfrage-Ergebnisse zu gelangen, die bereits im Senat kursierten. Schließlich wurde nur ein Teil der Prognosen unter die Presse gestreut. Und zwar ungefähr die Ergebnisse, die einige Wochen zuvor bei einer Umfrage der CDU herausgekommen waren. Nämlich, dass die SPD derzeit auf 42 Prozent (1999: 42,7), die CDU auf 35 (37,7), die Grünen auf 13 (9,1) und die FDP auf 4 Prozent (2,1) kommen. Und, dass 68 Prozent Henning Scherf als Bürgermeister wollen.

Zunächst unveröffentlicht blieben für die SPD weitere unangenehme Punkte. So ist ihr Mobilisierungsproblem noch massiver ist als bislang bekannt. Nicht nur, dass gerade 79 Prozent der potenziellen SPD-Wähler am 25. Mai überhaupt wählen gehen wollen (CDU-Anhänger: 87 Prozent). Rund 41 Prozent der befragten SPD-Wähler meinten gar, die Wahl interessiere sie „weniger“ oder „gar nicht“ (CDU: 33). Den größten Vorsprung habe die SPD nur bei denjenigen, die nicht fest entschlossen sind, zur Wahl zu gehen.

Genauso wenig wurde bekannt, dass 35 Prozent der Bremer der SPD zutrauen, die Probleme der Stadt zu lösen, der CDU nur 26 Prozent. Knackpunkt: 31 Prozent der Befragten trauten dies keiner der beiden Parteien zu. Außerdem blieb unerwähnt, dass 55 Prozent der Befragten es „wichtig“ oder „sehr wichtig“ finden, dass die Bundesregierung bei der Bürgerschaftswahl eine Quittung für „ihre sozial unausgewogene Politik“ bekommen müsse. 28 Prozent meinten, für sie stünde im Vordergrund, dass die CDU „endlich einmal den Bürgermeister in Bremen stellen soll“.

Infratest-Geschäftsführer Hilmer betonte, dass der Vorsprung der SPD wegen der geringen Urnenlust ihrer Wähler „kein Ruhekissen für die Partei“ sei. Allerdings habe es die CDU auch nicht leichter: „Für sie wäre es zwar als Abgrenzungsstrategie naheliegend“, so Hilmer, „Aber bei Rot-Schwarz fällt das natürlich schwer.“ Außerdem habe die CDU niemanden wie everybody’s darling Henning Scherf, für den bei einer Direktwahl des Bürgermeisters selbst 47 Prozent der CDU-Anhänger wären. Hilmer: „Koch kam bei der Hessen-Wahl nur auf 53 Prozentpunkte, sein Herausforderer Böckel nur auf 37.“ Der kläglich gescheiterte SPD-Kandidat steht damit noch besser da als CDU-Bürgermeister Hartmut Perschau. Er käme bei einer Direktwahl nur auf 19 Prozent der Stimmen. Kai Schöneberg