Frau Konrektorin

Sabine Broeck, Konrektorin der Bremer Universität, will ihren Amerikanistik-StudentInnen die Augen für den „typischen Plot“ zwischen Männern und Frauen öffnen – nicht nur in der Literatur

Bei männlichen Narzissten kriegt Broeck immer noch leicht Wutausbrüche

taz ■ Irgendwann musste das ja kommen: Sabine Broeck, frischgebackene Professorin für Anglistik, prüfte eine Studentin, Mutter eines kleinen Kindes, Leistung: miserabel. Die Feministin Broeck, die jahrelang versucht hatte, Frauen an der Uni zu fördern, musste ihre Prüfungs-Kandidatin leider durchrasseln lassen. „Da hab ich mich richtig mit gequält am Anfang“, sagt Broeck.

Zwanzig Jahre zuvor, als Studentin in Frankfurt, war die Welt in dieser Hinsicht noch einfacher gewesen. Broeck gründete mit anderen Amerikanistinnen damals den womens corcus, stritt für ein paar Seminare „mit dezidiert feministischem Inhalt“, eiste im Fachbereich Geld für eine gender-Vortragsreihe los. Als eine neue Professorin an der Männermehrheit in der Berufungskommission zu scheitern drohte, standen Broeck und ihre Mitstreiterinnen bei der entscheidenden Sitzung gleich zu Dutzenden auf der Matte.

Inzwischen stehen die StudentInnen bei ihr auf der Matte. Anfang 2000 erhielt Broeck einen Ruf an die Bremer Universität, ein halbes Jahr später schon wurde sie zur Konrektorin für internationale Beziehungen ernannt. Die Jeans hat sie gegen Kostüme ausgetauscht, anderes aber ist geblieben: „Ich kann innerlich immer noch sehr leicht Wutausbrüche kriegen, wenn ich drei Stunden mit männlichen Narzissten auf Terminen sitze.“

Sie trage „Verantwortung für eine große Zahl auch männlicher Kollegen“ und sei qua Amt „eigentlich eine wichtige Person des öffentlichen Lebens“, sagt Broeck. Strukturell benachteiligt? „Ich habe jetzt was zu sagen“, gibt die Konrektorin zu. Vom Schaffermahl aber bleibt sie als Frau weiterhin ausgeschlossen.

Verglichen mit anderen nimmt die Bremer Universität beim Frauenanteil in Deutschland eine Spitzenposition ein: Jede siebte ProfessorInnen-Stelle ist inzwischen mit einer Frau besetzt. Im uni-internen Zentrum für feministische Studien haben sich rund 20 Professorinnen aus allen Fachbereichen zusammengeschlossen, um gender-spezifische Fragestellungen in ihrem jeweiligen Fach zu promoten. Broeck etwa will ihren StudentInnen den Blick für den „typischen Plot“ in der US-amerikanischen Literatur öffnen: durchsetzungsfähige Frauen, die schließlich doch untergehen. Aus solchen Rollen-Klischees auszubrechen, fällt offensichtlich selbst den SchriftstellerInnen schwer. „Es ist gar nicht so einfach, ein Genre zu finden, in dem starke Heldinnen überleben“, sagt die Literaturwissenschaftlerin Broeck.

Themen allerdings, die für sie das feministische A und O sind, locken heute keine Frau mehr hinter dem Ofen hervor, hat Broeck am eigenen Leib erfahren. In einem Seminar über die Theorie der gender-Studies etwa wollte sie Grundlagenliteratur lesen – „Herz-Schmerz-Leib-und-Magen-Texte“ für die Grundlagen-Feministin Broeck. Gähnendes Schweigen im Saal. „Das ist doch alles abgehakt“, erwidert eine Studentin: „Da hat sich meine Mutter mit beschäftigt.“ Broeck sagt: „Let’s face it.“

Armin Simon