Das Scheibenglück lässt die Haie hoffen

Mit 3:2 gewinnt Köln die dritte Partie im Meisterschaftsfinale der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) gegen die Krefeld Pinguine, verkürzt in der Serie auf 1:2, steht heute Abend aber schon wieder mit dem Rücken zur Wand

KÖLN taz ■ Andreas Renz, Verteidiger der Kölner Haie, ist eigentlich ein sehr freundlicher und ruhiger Mensch. Der 25-Jährige stammt aus dem Schwarzwald und ist ein großer Pferdeliebhaber. Als Renz am Donnerstagabend über das dritte Spiel des Play-off-Finales in der Deutschen-Eishockey-Liga (DEL) zwischen dem KEC und den Krefeld Pinguinen sprach, sah der Eishockey-Profi aber ziemlich böse aus – und wählte ungewohnt martialische Worte: „Es war hart, wir haben mit viel Emotion gekämpft und gebissen. Es ist Blut geflossen, so muss es sein. Wir werden so weitermachen“, sagte er. Zu Schaden kam dabei niemand, es war einfach nur ein Eishockey-Spiel, in dem es für Titelverteidiger Kölner EC um alles oder nichts ging.

Die Spannung in der mit 18.610 Zuschauern restlos ausverkauften Kölnarena war riesengroß, es gab Menschen, die Baldrian zu sich nehmen mussten, um es auszuhalten. Denn das Geschehen auf dem Eis war nervenaufreibend und unglaublich mitreißend. Das Spiel endete mit einem 3:2-Sieg für Köln, das damit den ersten Krefelder Matchball zur Meisterschaft abwehrte. In der Serie „Best of Five“ führen die Pinguine jetzt nur noch mit 2:1. Heute geht es um 18.30 Uhr in der Krefelder Rheinlandhalle weiter.

Wie Renz sah auch Haie-Trainer Hans Zach im „Kampfgeist und Biss“ seines Teams den Schlüssel zum ersten Kölner Erfolg in der Endspielserie. Der Coach nannte jedoch einen weiteren Faktor: „Wir hatten endlich auch das nötige Scheibenglück.“ Damit meinte Zach, nebenbei auch Trainer der deutschen Nationalmannschaft, vor allem einen Moment in der 53. Minute des Spiels: Die Haie lagen 2:1 in Führung, als der Krefelder Verteidiger Christian Erhoff einen Schuss des Kölners Shane Peacock zum vorentscheidenden dritten Treffer ins eigene Tor abfälschte. Der KEV kam zwar nur eine Minute später durch ein Tor von Brad Purdie auf 2:3 heran und Kölns Torwart Chris Rogles schockte die eigenen Anhänger anschließend mit ein paar haarsträubenden Unsicherheiten, doch es reichte trotzdem nicht mehr für die Pinguine.

Es war das erste Spiel der Finalserie, in dem die Kölner Glück hatten. Und das ist unglaublich wichtig in engen Spielen zwischen zwei etwa gleichstarken Teams. Deshalb sagte Peacock auch: „So einen Glückstreffer brauchten wir ganz dringend“, die Haie seien damit „zurück in der Serie“.

KEV-Trainer Butch Goring, der als Spieler mit den New Islanders viermal in der NHL den Stanley-Cup gewann und somit schon viel erlebt hat, weiß ebenfalls, wie wichtig das Glücksmoment in Play-offs ist. „Heute gingen die Abpraller nicht in unsere Richtung“, sagte er und kaute dabei hektisch Kaugummi, „trotzdem war es nur ein Spiel. Wir sind dadurch nicht down.“ Der Kölner Tino Boos hofft auf das Gegenteil: „Vielleicht haben wir das Glück auf unsere Seite gezogen.“

Glück ist eine Sache, die in Play-offs von Spielern und Trainern immer wieder beschworen wird. Wie man es schafft, es zu konservieren oder auf seine Seite zu ziehen, kann natürlich niemand genau sagen. Trotzdem haben sich hierzu einige Standards etabliert: Eishockey-Spieler lassen sich, um die Geister zu beschwören, gern Bärte wachsen. In letzter Zeit sieht man oft auch bunt gefärbte Haare. Fans wiederum legen sich glücksbringende Schals um, andere zünden Kerzen an.

Es existieren zudem einige ungeschriebene Gesetze des Aberglaubens, gegen man die tunlichst nicht verstoßen sollte. Eines der wichtigsten: Keine Feier ansetzen, bevor die Serie gewonnen ist. Trotzdem plante die Krefelder Klubführung – wohl im unbekümmertem Überschwang nach zwei berauschenden Siegen – in aller Öffentlichkeit für Samstag Mittag die Party zum ersten Meistertitel seit 1952. Die Feier kann nun frühestens am Abend stattfinden. „Fans sind Fans“, sagte Goring und meinte damit wohl auch die Offiziellen seines Vereins, „meine Spieler wissen sehr genau, dass wir noch eine Partie gewinnen müssen.“

Ein wenig triumphierend sagte Haie-Geschäftsführer Holger Rathke: „Unsere Planungen laufen immer hinter verschlossenen Türen. Wir vermeiden es, die sportliche Abteilung damit zu belasten.“ Andreas Renz kündigte schon mal an: „Wir werden an unsere Leistung anknüpfen und versuchen, die Krefelder zu ärgern.“ Vielleicht wird wieder Blut fließen, sicher werden beide Teams bis zum Letzten kämpfen. Und wahrscheinlich wird wieder entscheidend sein, für wen die Scheibe springt.

CHRISTIANE MITATSELIS