stefan kuzmany über Alltag
: Fryden für die Fyrien in Syrien

Sollen wir demonstrieren oder Ostereier färben? Und wo ist Mohammed Said al-Sahhaf an diesem tristen Karsamstag?

Nach dem Krieg ist vor dem Krieg. An den einen hat man sich kaum gewöhnt (ist der jetzt eigentlich schon vorbei?), da steht der nächste bereits vor der Tür. Nächster Halt: Syrien. Das ist sehr praktisch und spart eine Menge Geld, schließlich sind die Soldaten schon in der Gegend. Für die Friedensbewegung ist die Entwicklung an sich auch nicht so schlecht, wie sie immer tut. Sie spart sich doch eine Menge Organisiererei. Die Mahnwachen können einfach weitermahnen, Arbeitsgruppen für den Frieden treffen sich weiterhin jeden Dienstag, und auch Demotermine brauchen nicht umgeworfen, bloß umgewidmet zu werden. Man muss sich nur ein paar neue Slogans ausdenken, diesmal mit Syrien drin. Wie wäre es zum Beispiel damit: „Hände weg von Syrien, ihr imperialen Furien!“

„Das reimt sich noch nicht mal richtig“, stellt Timo fest. „Wenn, dann müsste es ‚Fyrien‘ heißen. Aber Fyrien gibt es nicht. Höchstens Ferien. Dann jedoch hast du ein Problem mit Syrien. Das müsste also im Slogan wiederum Serien heißen, des Reimes wegen.“

Oh Gott. Das konnte jetzt stundenlang so weitergehen. Timo hat ein Talent dafür, das Offensichtliche zu benennen und auf Nebensächlichkeiten herumzureiten. Man könnte auch sagen: Er schwafelt gern. Meine Lieblingsfaschistin war über das Osterwochenende verreist, also hatte Timo beschlossen, mich für diese Zeit zu besuchen. Jetzt lag er breit auf meinem Sofa und schien sich so schnell auch nicht bewegen zu wollen. Was sollte ich nur mit ihm anfangen?

Mohammed Said al-Sahhaf hätte zwar von strahlendem Wetter gesprochen, ideal für einen kleinen Ausflug oder Spaziergang, mit dem Rad oder auch eine kleine Partie mit einem Ruderboot, aber draußen war es kühl und grau und so gar nicht österlich. Außerdem hat Mohammed Said al-Sahhaf schon lange nichts mehr gesagt. Was der sympathische irakische Informationsminister wohl gerade macht? Ob er noch lebt? Seine Nachfolgerin, Margaret Tutwiler, die designierte Sprecherin der amerikanischen Militärverwaltung des Irak, wird wohl kraft ihres Amtes ähnlich viel Unsinn erzählen wie der gute Mohammed, aber so unterhaltsam ist die sicher nicht. Hat sie eigentlich schon etwas gesagt? Ist die schon im Amt? Ein seltsamer Zwischenzustand.

„Kyrie für Syrien!“, meldete sich Timo vom Sofa, aber auch das reimte sich nicht so richtig. Zum Ostermarsch mit Timo? Das wäre unehrlich. Er war zwar auf einer dieser großen Friedensdemos vor zwei Wochen gewesen, aber da hatte er ein Schild mit der Aufschrift „Gorch Fock!“ dabeigehabt, weil das so schön absurd nach „Fuck George!“ klingt und eventuell die Aufmerksamkeit einer dieser scharfen jungen Friedensdemonstrantinnen auf ihn lenken sollte. Hat es aber natürlich doch nicht. Man hat ihm mehrmals den Vogel gezeigt, und der Vogel war keine Friedenstaube.

„Der Ostersamstag heißt eigentlich Karsamstag“, dozierte Timo jetzt. Denn Ostern sei erst am Sonntag, wenn Jesus aufersteht, am Samstag jedoch liege er im Grab und rühre sich nicht. Es ist am Karsamstag unsicher, ob sich überhaupt noch einmal etwas tut mit Jesus. Am Karsamstag ist davon auszugehen, dass Jesus verstorben ist und nicht mehr wiederkommt. Karsamstag: Christentum in der Krise. Und wir haben nichts zu tun.

Ostereier bemalen vielleicht. Schon lange nicht mehr gemacht. Aber das wird auch nichts. Angeblich gibt es ja keine weißen Eier mehr in ganz Deutschland, und wenn doch, kommen die wahrscheinlich aus Holland und sind hochgiftig. Nun gut, man müsste sie ja nicht essen, nur ausblasen vor dem Bemalen müsste man sie. Und dann ruft Marco an und fragt, was wir gerade so treiben, und ich sage: „Wir blasen gerade Eier aus“, und vom Sofa aus lacht Timo dreckig und Marco ebenso am anderen Ende der Leitung. Nein danke, diese Art von Kalauern ersparen wir uns lieber.

„Timo, was wollen wir machen?“ Timo wälzte sich genüsslich einmal von der linken auf die rechte Seite. Er liebt mein Sofa. „Timo, keine Idee?“

Endlich bequemte er sich zu einer Antwort. „Machen wir’s doch wie Jesus: rumliegen bis Sonntag.

Fragen zum Karsamstag? kolumne@taz.de