rochus in weiden von JÜRGEN ROTH
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Herr W. hat wieder einen Rochus. Auf seinen Onkel. Auf seine Cousine. Auf die Presse. „Das ist doch eine Schweinepresse, eine richtige Saupresse“, sagt er. „Da fährt meine Cousine nach München, du, mit so einem Sack von Fotograf, verstehst, und dann schaut die sich diese ganzen Arschgesichter an und schreibt hinterher ihren Schrott runter, einen einzigen Schrott schreibt die, und Kohle hat’s, meimei.“

Herrn W.s Cousine schreibt unter anderem für die Gala. Sein Onkel schreibt für ein bayerisches Heimatblatt. „Und weißt“, sagt Herr W., „was der neulich gesagt hat? Er schreibt zwei Seiten über Rudolf Diesel, hat er gesagt. Über Rudolf Diesel! Ja leck mich doch.“

„Wieso? Was ist denn daran so schlimm?“ – „Na, nichts! Gar nichts! Aber so kann man doch nicht über Rudolf Diesel schreiben! Doch nicht mit einem solchen Know-how! Diesel, verstehst? Da kommt der Depp daher, zu uns, daheim, in Weiden, weißt scho’, mein Vater hockt da, der is’ Ingenieur, ich hock’ da, und da kommt der daher und erzählt uns, dass er zwei Seiten über Rudolf Diesel schreibt!“

„Aber was ist denn damit?“ – „In München, in München!, geht der in die Staatsbibliothek und holt sich einen Stoß Literatur zu Rudolf Diesel, und den schleppt der auch noch an, zu uns, Mann!“ – „Das ist doch in Ordnung. Der bereitet sich wenigstens ordentlich vor und guckt nich’ ins Internet.“ – „Internet! Hör mir mit dem Scheißinternet auf! In unseren Bücherschrank soll der gucken! Schreibt der auch noch die MAN an und zeigt uns so einen Packen Zeug von denen, alles Scheißdreck natürlich. Hier, sag’ ich, hier, in Weiden, in Weiiiiiden!, steht die Biografie vom Sohn von dem Diesel, die musst lesen, sonst geht gar nichts! Null. Verstehst? Du kannst doch keinen Artikel über Rudolf Diesel schreiben, ohne die Biografie vom Diesel gelesen zu haben. 98 Prozent aller Schiffsmotoren sind heute Dieselmotoren. Das is’ weltgigantisch!“

„Was hat das denn mit der Biografie zu tun?“ – „Hör zu, ’98 war Olympia, oder? ’98, in Atlanta, wo die Ulla Pippig gelaufen ist.“ – „Marathon.“ – „Marathon, ja. Mir sitz’n vor dem Fernseher, und meine Mutter fragt, wo die da läuft, die Pippig. Sag’ ich: Moooment! Hammas oder hammas nicht?“ – „Und?“ – „Ja sicher hammas! Hinten im Schrank. Geh’ ich hin und zieh’ se raus – eine original amerikanische Karte, von Atlanta. Weil ich den Falks nich’ trau. Verstehst? Jede Karte ist subjektiv, aber die Falks sind noch nicht mal approximativ objektiv! Auf so einer amerikanischen Karte, da seh’ ich alles! Da seh’ ich diese Anomalie der Straße. Die Mutter hat’s dann auch eingesehen, die Karte.“

„Und woher hattest du die?“ – „Stewardessen und so. Aber, verstehst, keine Karte ist optimal, auch die amerikanische nicht. Es gibt keine optimale Karte. Eineinhalb mal zwei Meter, die Karte! Du hast für jeden Scheiß eine Karte, hat die Mutter gesagt.“ – „Die Weidener Weltbibliothek.“ – „Freilich. Hör, was hat der Onkel gesagt, als ich dem die Biografie vom Diesel unter die Nase gehalten hab’?“ – „Ja, was hat er gesagt?“ – „Habt ihr für jedes Scheißproblem ein Buch?, hat er gesagt.“ – „Und? Habt ihr?“ – „Ja, stimmt, wir ham für jedes Scheißproblem ein Buch. Außer für Medizin.“

Dann ist ja so weit alles klar.