Mit 500 PS in den Knast

Testfahrer Rolf F. wurde gestern zu einer Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt, obwohl die Beweislage dünn ist: Das Urteil richtet sich nicht gegen das Rasen, sondern rücksichtsloses Drängeln

AUS KARLSRUHE CHRISTIAN RATH

Das Urteil ist hart, aber kaum jemand wagt, es zu kritisieren. 18 Monate Haft ohne Bewährung verhängte gestern die Karlsruher Amtsrichterin Brigitte Hecking im so genannten Autobahnraserfall.

Der DaimlerChrysler-Testfahrer Rolf F. (34) soll im vorigen Juli mit seinem 500 PS starken Coupé so schnell auf einen vor ihm fahrenden Kia-Kleinwagen aufgefahren sein, dass die Fahrerin Jasmin A. (21) vor Schreck die Kontrolle über ihr Fahrzeug verlor, von der Fahrbahn abkam und in einen Wald neben der Straße raste. Sie und ihre zweijährige Tochter Rebecca waren sofort tot.

„Fahrlässige Tötung“ und „schwere Gefährdung des Straßenverkehrs“ lautete gestern das Urteil des Karlsruher Amtsgerichts. Mit einer Verurteilung hatten zwar viele gerechnet – trotz der dünnen Beweislage –, aber dass die Strafe nicht einmal zur Bewährung ausgesetzt wurde, überraschte doch.

Für Richterin Hecking ging es aber um „Generalprävention“. Sie wollte mit ihrem Richterspruch ein Zeichen setzen. Zwar gebe es in Deutschland keine Geschwindigkeitsbegrenzung. „Wer aber die PS-Zahl seines Wagens voll ausschöpfen will, muss dies verantwortungsvoll tun“, so Hecking.

Letztlich war das gestrige Urteil kein Urteil gegen Raser, sondern gegen unverantwortliche Raser, oder besser: ein Urteil gegen rücksichtlose Drängler auf der Überholspur. Selbst die Automobilclubs ADAC und ACE hatten gestern keine Einwände gegen die Entscheidung.

Gleich zu Beginn musste die Richterin klarstellen, dass ihr Urteil keinen Kniefall vor der Öffentlichen Meinung bedeute: „Das Strafmaß ist tat- und schuldangemessen.“ Immerhin hatte sie vor der Verkündung Morddrohungen bekommen, falls Rolf F. freigesprochen werde. Der Gerichtssaal war deshalb von einem massiven Polizeiaufgebot gesichert. Taschen mussten am Eingang abgegeben werden, wie in einem Terrorprozess. Doch die Stimmung im Gerichtssaal blieb ruhig, als Hecking das Urteil verkündete. Weder Beifall noch Missfallensäußerungen waren zu hören.

Eine Bewährungsstrafe ist üblich, wenn ein Täter nicht vorbestraft ist und eine günstige Sozialprognose hat. Doch für Hecking kam dies nicht in Frage, weil sich F. im Prozess so „uneinsichtig“ gezeigt hat. Hätte er gestanden oder zumindest in Erwägung gezogen, dass er auf der Fahrt zur Teststrecke in Papenburg zu weit gegangen ist, müsste er wohl nicht ins Gefängnis.

F. der das Urteil äußerlich ungerührt aufnahm, hofft aber wohl auf die Berufung. Schon im Plädoyer hatte sein Verteidiger angekündigt, dass das Urteil in der nächsten Instanz, beim Landgericht Karlsruhe, angegriffen werde. Tatsächlich ist die Beweislage nicht überwältigend. Es gibt Zeugenaussagen zum Fahrzeugtyp, F. hat sich nach dem Unfall seltsam verhalten und ist außerdem als „Turbo-Rolf“ bekannt, der sich bei Bekannten sogar mit seiner rasanten Fahrweise („mit 300 auf der Autobahn“) brüstete.

Allerdings war am gleichen Morgen auch ein Vorgesetzter von F. mit ähnlichem Fahrzeug auf dieser Strecke unterwegs. Letztlich wird es in der Berufung darauf ankommen, ob ein Zeuge sich tatsächlich an die Anordnung der Scheinwerfer beim Drängler-Mercedes erinnert. In diesem Fall kann auch mit einem Freispruch gerechnet werden.

Bis dahin bleibt aber die volkspädagogische Wirkung des gestrigen Urteils erhalten. Wer sich bisher nur am ruhigen Fahrverhalten seiner Limousine bei Tempo 200 erfreute, weiß spätestens jetzt, welche Folgen ein rücksichtsloser Fahrstil haben kann. Und zwar nicht nur für die möglichen Opfer, sondern auch für den Fahrer selbst: Haft, Medienhetze, Arbeitsplatzverlust. Der Karlsruher Prozess war tatsächlich ein Schauprozess, aber wenigstens ausnahmsweise einer, der ein bisher verdrängtes Problem öffentlich gemacht hat.