steffen grimberg
: Dumme Wirtschaftszeitung

Hier polemisiert der Chef selbst: Das „Handelsblatt“ betreibt Konzernpolitik und setzte seinen Ruf aufs Spiel

Wozu sachlich bleiben, wenn’s auch persönlich geht? Das scheint in Zeiten, in denen um die Neuordnung des deutschen Zeitungsmarktes gerungen wird, jedenfalls die Devise beim bislang immer als honorig durchgegangenen Handelsblatt zu sein.

„Auch so kann man den Vorwurf bestätigen, dass es im Streit um den Berliner Zeitungsmarkt und die geplante Änderung des Pressefusionsrechts schon lange nicht mehr allein um die Sache geht, sondern auch um die gekränkte Eitelkeit eines Beamten“, grantelte am Dienstag ein mit „bz“ gezeichneter Kommentar in unserer zweitliebsten Wirtschaftszeitung. Und meint Bundeskartellamtspräsident Ulf Böge, denn der „brauchte 294 Zeilen in einer Frankfurter Tageszeitung, um auf 54 Zeilen Kritik im Handelsblatt zu antworten“.

Damit war übrigens die FAZ gemeint, die – oh, wie subversiv! – ein Interview mit dem Kartellamtspräsidenten zu jener geplanten Änderung des Pressefusionsrechts geführt hatte. Noch dazu im Wirtschaftsteil! Wo Böge dann schon wieder sagen durfte, dass er die von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) geplanten Lockerungen bis hin zum Monopol gefährlich findet – und dass die bisherigen Reglungen reichen.

Man könnte alles als Provinzposse abtun, allerdings eine, die der Chef selbst verzapft: Mit dem Kürzel „bz“ zeichnet Handelsblatt-Chefredakteur Bernd Ziesemer. Ziesemer hatte Böge auch schon in seinem ersten Kommentar (den oben zitierten „54 Zeilen Kritik“) als einen ungebetenen „Politikberater“ bezeichnet, der einen „persönlichen, geradezu polemischen Feldzug gegen die geplante Änderung des Pressefusionsrechts“ führe.

Trügt der Eindruck, oder macht sich der Chefredakteur eines bisher seriösen Blattes endgültig zum Knecht seines Verlagskonzerns? Denn das Handelsblatt gehört zur Verlagsgruppe Holtzbrinck, jenem Medienkonzern (u. a. Zeit, Tagesspiegel), der von der geplanten Aushöhlung der Pressefusionskontrolle profitieren würde. Und dem Kartellamtspräsident Ulf Böge vor zwei Wochen zum zweiten Mal die Übernahme der Berliner Zeitung versagt hatte.

Über Possen braucht man also wohl nicht mehr zu reden. Aber wie sieht es mit der Glaubwürdigkeit des Handelsblatts aus?