Shopping-Event

Uh, Gender-Crossing

Ich hab so was noch nie gemacht. Es war mir unangenehm, mit etwa 50 anderen Menschen um viertel vor zehn vor der noch geschlossenen Filiale einer Modekette zu stehen und darauf zu warten, dass sichtlich amüsierte Mitarbeiter die Billigkollektion eines bekannten Designers an den anderen Klamotten vorbeischieben. Den homosexuellen Mitte-Pärchen war es auch ein bisschen peinlich, deswegen taten sie so, als wären sie ganz zufällig da.

Ich tat auch so, holte mir einen Kaffee und beobachtete aus sicherer Entfernung, wie asiatische Touristinnen und gar nicht so modeaffin aussehende Mädchen Arme voll von schwarzen Sakkos und gepunkteten Hemden in die Kabinen schleppten. Sogar die hässlichen Schuhe wurden noch schnell unter den Arm geklemmt. Hinterher wurden dann Deals gemacht: „Für das Sakko in 38 würd ich dir den Rock und das Hemd geben.“

Ein ehemaliger Musiksender-Moderator, der etwas dick geworden war, suchte nach Pullis in XL, der Chef eines Musikmagazins verließ mit voller Tüte zügig den Laden, und das Mädchen mit dem „I love Nerds“ T-Shirt probierte die geschätzten 20 Teile gleich neben den Ständern an. Zu ihren Freundinnen sagte sie dann was über das Gender-Crossing-Prinzip des Designers. Spätestens jetzt hätte ich den Laden wohl fluchtartig verlassen sollen. Hätte ich nicht einen Anzug für den Freund kaufen müssen. Das Männer-Pärchen befand den Anzug als zu spießig, eher was für „Galeristen und Grafiker“. Aber den Trenchcoat, den ich zufällig in der Männerabteilung fand, solle ich unbedingt nehmen. Nun bin ich Besitzerin eines Mantels, der eigentlich nur von hinten gut aussieht und, wenn man ehrlich ist, auch eine Nummer zu groß ist. LAURA EWERT