bernhard pötter über Kinder
: Kampf dem Schweinehund

Zwischen Eltern und Hundehaltern kann es auf Erden keinen Frieden geben

Wenn es wenigstens ein Pitbull gewesen wäre. Eine dieser Killermaschinen, die genauso kurz geschnitten sind und kurz gehalten werden wie ihre Besitzer. Aber nein, es war ein mieser kleiner Kläffer, der sich plötzlich auf unsere Picknickdecke stürzte. Und laut knurrend seine stinkende Schnauze in unseren gegrillten Würstchen vergrub. Entsetzt rannten die Kinder davon. Ehe ich das erstaunlich starke Vieh von der Decke geschubst hatte, war die eine Hälfte der Würstchen angebissen und die andere Hälfte angesabbert. Nur mit Mühe nahmen die beiden Frauchen den Köter an die Leine, wo er laut Parkordnung sowieso hingehörte. Eine Entschuldigung gab es nicht. Aber das hatten wir auch nicht erwartet.

Es wird Frühling. Aus allen Ecken und Enden krabbeln die Säugetiere ans Licht. Und es beginnt der Kampf ums Dasein. Kinder gegen Hunde. Eltern gegen Herrchen.

Versteht mich nicht falsch, Tierschützer! Ich habe größten Respekt für die Leistungen von Canis lupus familiaris. Früher hat er unsere Schafe gehütet und unsere Höfe bewacht. Heute schnüffelt er nach Drogen und Sprengstoff, führt Blinde sicher durch die Stadt und findet Verschüttete unter Lawinen. Er dient als Gesprächspartner für einsame Menschen und als leckere Zutat für die asiatische Küche. All das ist höchst begrüßenswert. Aber Hunde haben in der Regel keine Kinderstube. Und in der Stadt ist nur Platz für eine Spezies schlecht erzogener Lebewesen.

Den Kampf um diese ökologische Nische haben die degenerierten Stubenwölfe bereits gewonnen. In den Supermärkten gibt es zwölf verschiedene Sorten Hundefutter, aber keine Gläschen mit zuckerlosem Kinderbrei. Eingesperrt auf umgitterten Spielplätzen werden nicht die Köter, sondern die Kinder. Eltern haben ein schlechtes Gewissen, wenn ihre Kinder mal unter die Sträucher pinkeln. Spricht man dagegen Hundebesitzer darauf an, dass ihr Hund da eben ein Pfund Scheiße mitten auf den Bürgersteig gesetzt hat, bellen sie einem entgegen: „Ick zahl Hundesteuer.“ Schließlich dürfen auch Autobesitzer ihr Altöl in den Gully kippen, weil sie Kfz-Steuer zahlen.

Natürlich ist nicht die Kreatur schuld, sondern ihr Kreator. Hundehalter sind (wie Raucher) im Regelfall aggressiv und rücksichtslos. (Oder wie viel Hundefans kennen Sie, die die Kacke ihrer Lieblinge aufsammeln, wie viele Raucher, die a) fragen, ob sie qualmen dürfen und b) ihre Kippen nicht überall hinschnippen?) Die Hundehalter sorgen zum Beispiel dafür, dass es zumindest in der Berliner Innenstadt nur drei Arten von Hunden gibt: Die Alkoholiker-Töle, die Ghetto-Kampfbestie oder den Hundedecken-Dackel. Zusammen mit Tauben und Ratten machen die Flohsäcke damit das Dreigestirn der animalischen Stadtplagen komplett. „Hände weg von Hunden!“, schärfe ich daher Tina und Jonas ein. Ich lege keinen Wert auf Insektenbefall, Hundebisse oder langwierige Zivilprozesse. Prothesen für Kinderfinger sind teuer.

Und was tut meine Brut? Sie glaubt dem Gesäusel des angesäuselten Frauchens, das in ihren Blumenleggings ihre Töle in unserer Straße ausführt: „Der tut nichts!“ „Der ist lieb zu Kindern!“ „Den kannst du ruhig streicheln!“ Zu meinem Entsetzen lässt Jonas sein Fahrrad stehen, sagt „Na, du lieber Hund?“ und streichelt den räudigen Schäferhund am Rücken. Der tut nichts. Und ist lieb zu Kindern. Tina ruft begeistert „Wawa!“ und tappt zu dem Hund, um mit seinem Schwanz zu spielen. Die Hundehexe lächelt ihr böses Lächeln.

Niemals! Ein Hund kommt mir nicht ins Haus! Das würde uns zu den schlimmsten Verrätern im Kampf des Menschen gegen seinen besten Freund machen: den Familien mit Hunden. Bei denen man Hundehaare noch im Morgenmüsli findet. Die sich begeistert von schlabberigen Hundeschnauzen küssen lassen. Bei denen es permanent nach nassem Fell stinkt. Wo man unter der Küchenbank nicht unterscheiden kann, ob Kleinkind Hanno oder Kompaktköter Hasso auf dem Gummihasen gekaut hat.

Und dann musste ich mit ansehen, wie Jonas unter Aufsicht der Nachbarin deren Pudel Libby ausführte. Ganz aufmerksam und stolz dirigierte mein Sohn das schwarze Fellbündel. „Verräter!“, schluchzte meine Vaterseele. Und griff zum Lexikon, um sich auf das Leben mit einem Werwolf vorzubereiten. Was ich fand, klang nicht nach hündischem Leben, sondern für Eltern sehr vertraut: „Feuchte Nase, Gebiss kräftig, vorwiegend Fleischfresser. Nacht- und tagaktive, gesellige, in Rudeln auftretende Hetzjäger, die sich vorwiegend nach dem Geruchs- und Gehörsinn orientieren und Lebensräume der verschiedensten Art besiedeln.“

Mein Sohn kann nichts dafür. Er folgt nur seinem inneren Wesen. Dem Schweinehund.

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