Bruchlandung für Landebahn Nordwest

Land Hessen im Dilemma: Entweder Landebahnbau oder Chemiefabrik. Koch will das Unternehmen enteignen

FRANKFURT/MAIN taz ■ Die Störfallkommission der Bundesregierung hat gestern wegen Sicherheitsbedenken gegen den geplanten Bau der Landebahn Nordwest am Frankfurter Flughafen gestimmt, Damit bestätigte sie das Votum ihrer Fachgruppe Flughafen.

Die Lage der Chemiefabrik Ticona zwischen Raunheim und Kelsterbach stehe gegen die vom Flughafenbetreiber Fraport AG und der hessischen Landesregierung favorisierte Ausbauvariante: „Entweder Landebahn oder Chemiefabrik – beides zusammen geht nicht“, sagte Eduard Bernhard, Mitglied der Fachgruppe Flughafen der Störfallkommission und Vorstand des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU). Die neue Landebahn wäre nach der jetzt wohl obsoleten Planung gerade einmal 700 Meter vom Gelände der Fabrik entfernt verlaufen. Flugzeuge wären in nur 60 bis 100 Meter Höhe darüber- oder vorbeigeflogen.

Nun, so Bernhard, sei nicht nur die hessische Landesregierung in der Pflicht, die notwendigen Konsequenzen aus der Entscheidung zu ziehen. Auch die anderen öffentlichen Anteilseigner an der Fraport AG – der Bund und die Stadt Frankfurt – seien jetzt aufgefordert, sich zu Wort zu melden.

Die Richtung scheint dabei klar: Schon nach dem Votum der Flughafen-Experten der Störfallkommission gegen den Bau der Landebahn in der direkten Nachbarschaft der Chemiefabrik Ende Januar hatte der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) den Gesellschaftern der Ticona mit einem Enteignungsverfahren gedroht. Diese wehren sich vehement gegen eine in der Landeshauptstadt Wiesbaden für den jetzt eingetretenen „Worst case“ ausgeheckte Umsiedelung ihres Unternehmens nach irgendwo. Aus der Landtagsfraktion der CDU heraus wurden den Geschäftsführern der Ticona GmbH und den Vorstandsmitgliedern der Muttergesellschaft Celanese AG dabei unlautere Motive unterstellt: Sie wollten nur den Preis für den „Umzug“ hochtreiben, hieß es. Und dass es „denen“ doch „nur ums Geld“ gehe.

Das seien ganz neue und völlig inakzeptable Töne gerade für eine christdemokratische, auf freies Unternehmertum setzende Landesregierung, konterten SPD und Grüne: „So richtig industrie- und standortfeindlich.“

Nach der Entscheidung muss jetzt vor allem die rot-grüne Bundesregierung als größter Anteilseigner der Fraport AG Stellung beziehen.

Auf dem Spiel stehen einerseits 1.000 Arbeitsplätze bei Ticona und der Chemiestandort Südhessen (Ex-Hoechst). Und auf der anderen Seite die Ausbauvariante Nordwest, an der Ministerpräsident Koch wie die Fraport AG „unbedingt“ (Koch) festhalten wollen.KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT