Kinder vor Gericht

Mord, Mordversuch: Jugendbande muss sich unter Ausschluss der Öffentlichkeit verantworten

Als der Vorsitzende Richter Fatih Y. anspricht, greift er doch auf das „Du“ zurück. Die übrigen Angeklagten hatte er noch gesiezt, Daniel S. hatte es ihm leicht gemacht, er erschien im grauen Anzug über bordeauxfarbenem Hemd. Fatih Y. aber ist noch ein Kind, 14 Jahre alt, klein, schlank, auffällig nur die Nase, die offenbar schon einmal gebrochen war.

Die Anrede offenbart den Zwiespalt, Kinder vor sich zu sehen und schwere Straftäter vor sich zu wissen: Die vier Jungen im Alter zwischen 14 und 19 Jahren sind angeklagt, im vorigen Dezember binnen 24 Stunden einen Mann ermordet sowie einen weiteren Mordversuch und weitere schwere Gewalttaten begangen zu haben. Seit gestern steht die Jugendbande deswegen vor dem Landgericht.

Drei der vier Angeklagten sollen den 24-jährigen Florian Reinert erschlagen haben, dem sie vorigen Dezember im Sternschanzenpark begegnet waren (taz berichtete gestern). Am Folgetag dann raubte die ganze Bande laut Anklage zunächst eine 67-jährige Rentnerin aus, ehe sie in der S-Bahn nach Thesdorf auf den 17-jährigen Christian K. trafen. Ihm nahmen sie alle Wertsachen ab, zwangen ihn, mit auszusteigen und am Geldautomaten Geld abzuheben, und stachen schließlich auf einem Sportplatz mit dem Messer auf ihn ein. Mit einer Notoperation konnte das Leben des Teenagers gerettet werden.

Die vier jungen Täter konnten identifiziert werden, weil eine Kamera am Geldautomaten sie gefilmt hatte. Vor der Polizei dann sollen sie die angeklagten Taten teilweise gestanden haben. Ob sich die Bande auch zu dem Mord im Schanzenpark bekennt, wird man erst bei der Verkündung des Urteils erfahren können, das im Juli erwartet wird. Das Gericht hat die Öffentlichkeit nach Verlesung der Anklage ausgeschlossen: „Entwicklungspsychologische Gründe“. ELKE SPANNER