Stiefeletten statt Sandalen

Realitätsflucht zwischen AC/DC und Kiss: die Hellacopters live im Schlachthof

Während ihm die Menge ein letztes Mal zujubelt, ist der Held schon auf seinem Weg ins Jenseits – das heißt: zurück in eine idyllische Vergangenheit, in der die Welt noch in Ordnung war.

Wie in „Gladiator“ wird an diesem Abend auch im Schlachthof der Gegenwart der Krieg erklärt. 650 Zuschauer träumen sich mit den Stockholmer Rockern The Hellacopters zurück in bessere Zeiten, hier: die Siebziger. „Ich glaub, ich bin echt zu spät geboren“, grübelt Anita, 30. „In den Siebzigern, da war noch was los mit der Musik und den Drogen.“ Da war Rock noch keine „leere Welt“, wie ihn der Bremer Kulturwissenschaftler Jochen Bonz bezeichnet. Und er war auch noch ohne Brüche widerspruchsfrei lebbar. Selbst der Sandalenfilm kam damals noch ohne grotesk überzeichneten Eskapismus aus.

Die Hellacopters inszenieren ihren Retro-Rock zwischen Kiss- und AC/DC-Riffs und karikaturhaftem Gepose so zweideutig, dass man zwischen Authentizitätswahn und postmoderner Ironie nicht mehr unterscheiden kann. „Geil gerockt“, findet Dierck, 21. Ein paar schnelle Songs mehr wären aber auch okay gewesen.

Doch die Flucht vor der Gegenwart gelingt auch im Midtempo: „Gotta Move Right Outta Here“ – egal, ob in Sandalen oder Stiefeletten, strammwadig oder auf dünnen Säufer-Beinchen. till