Am Stahlquadrat bitte abbiegen

Aufmerksamkeitsfelder leiten Blinde durch die U-Bahnhöfe. Das System der BVG funktioniert gut – wenn die Verbände rechtzeitig in die Planung eingebunden werden. 18 weitere blindengerechte Bahnhöfe sind für dieses Jahr geplant

Sie sind quadratisch, etwa 70 mal 70 Zentimeter groß und aus Metall. Die Platten sind auf Berliner U-Bahnsteigen angebracht, und klopft man darauf, klingt es hohl. Aber was ist darunter? Ein Wasseranschluss oder technische Schaltungen für Aufzüge oder Rolltreppen? Bei näherem Betrachten fällt auf, dass sie an allen vier Kanten mit drei Senkschrauben verschlossen sind. Unter den Platten befindet sich – nichts. Des Rätsels Lösung lautet: Es sind Wegweiser. Wegweiser für Blinde.

Seit 1989 gibt es im Untergrund und auf den Viadukten der Berliner Verkehrsbetriebe Bindenleitsysteme. Sie bestehen aus zwei Komponenten, erstens aus einem Streifen von hellen Platten mit eingefrästen Rillen, die parallel zu den Gleisen verlaufen, und zweitens aus den beschriebenen Metallplatten, die die Rillenstreifen unterbrechen. In der Fachsprache heißen sie Aufmerksamkeitsfelder und weisen die auf einen Langstock angewiesenen Blinden auf Rolltreppen, Aufzüge und Treppen hin. Sie ragen in Richtung der Ausgänge aus den Leitstreifen heraus. Tastet sich der Blinde mit seinem Stock am Leitstreifen entlang und tippt auf ein Aufmerksamkeitsfeld, fühlt und hört er, dass er hier abbiegen kann. Heute sind 62 U-Bahnhöfe blindentauglich. Laut BVG-Sprecher Wolfgang Göbel sind 18 weitere Nachrüstungen für dieses Jahr geplant. Die Kosten dafür dürfe die BVG nicht bekannt geben, so Göbel.

In der Theorie ist das Leitsystem eine tolle Sache, doch die Praxis hat mitunter Tücken. „Falsch angebracht, können die Leitstreifen sogar gefährlich sein“, weiß Volker Lenk, Sprecher des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenvereins (DBSV) Berlin. Besonders weil bei der BVG „immer wieder andere Baufirmen mit im Boot sitzen“, werde zum Teil nicht optimal geplant. Generell gebe es aber eine permanente Zusammenarbeit zwischen den Blindenverbänden und der BVG, die gut funktioniere. Das bestätigt auch Göbel. Bahnhofsumbauten und behindertengerechte Nachrüstung würden stets unter Hinzuziehung der Verbände durchgeführt. Dass verschiedene Firmen die Arbeiten durchführen, liege an der gesetzlich vorgeschriebenen öffentlichen Ausschreibung.

CHRISTOPH TITZ