mail aus manila
: Die sehen doch alle gleich aus

Verwirrung auf den Philippinen: Weil alle Banker Weiße sind, weiß die Regierung nicht mehr, wo das Geld herkommen soll

Die Weltbank wird den Philippinen 10 Milliarden Dollar zur Verfügung stellen. Damit soll dem Land geholfen werden, mit den Folgen der weltweiten Finanzkrise fertig zu werden, die derzeit die internationale Ökonomie durchschüttelt. Zwar hat das Land bisher nicht am internationalen Absturz von Börsenkursen teil – mangels Masse hat in den Philippinen niemand in zweifelhafte Immobilienfonds investiert, die sich in den USA gerade in Luft auflösen. Aber finanzielle Hilfe kann das Dritte-Welt-Land natürlich immer gebrauchen, und wer weiß, was noch kommt.

So steht es in den Philippinen in der Zeitung. Schade bloß, dass bei der Weltbank niemand etwas davon weiß. Ein Reporter, der sich die Sache genauer erklären lassen will, stößt bei der internationalen Finanzorganisation auf Unverständnis. Nein, hier sei kein Geld für die Philippinen vorgesehen. Wenn überhaupt, würde man Ländern wie Japan und Korea helfen, wenn die von der internationalen Finanzkrise betroffen würden.

In den nächsten Tagen hat die Presse in den Philippinen ihre Gaudi mit den Milliarden. Wo sollen Sie denn nun herkommen? Schließlich klärt ein Regierungssprecher auf: Das Ganze war ein Missverständnis. Das Darlehen sei nicht von der Weltbank versprochen worden, sondern vom Internationalen Währungsfond. Eine unglückliche Verwechslung, aber so was passiert nun mal.

Die Presse forscht weiter, wie es zu dem Missverständnis kommen konnte, und nach und nach schält sich folgende Version der Geschichte heraus: Eine philippinische Delegation unter Leitung von Finanzminister Margarito Teves war in Washington, um sich mit Vertretern der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds zu treffen. Berater Ralph Recto erklärte in einem Interview, dass er sich zusammen mit Teves und Haushaltsminister Rolando Andaya mehrmals mit Vertretern der beiden Institutionen getroffen hätten und es ihm schwergefallen sei, diese Männer zu unterscheiden. „Das waren alles Weiße und sie sahen alle gleich aus. Es ist nicht leicht, sie auseinanderzuhalten“, sagte er in einem Telefoninterview. „Wahrscheinlich war das der Grund für die Verwechslung.“

Schön, dass das mal jemand sagt. Wenn ein Weißer so etwas über Asiaten sagen würde, wäre die Hölle los ob solcher politischer Unkorrektheit. Dabei weiß jeder, der sich in einem Land aufgehalten hat, in dem Mitglieder einer anderen Hautfarbe dominieren, dass das in Wirklichkeit stimmt. Nach fast fünf Jahren in den Philippinen habe ich zwar gelernt, die Leute hier auseinanderzuhalten. Aber bei einer Kurzreise nach Taiwan stand ich wieder vor dem alten Problem: Wer war noch mal die freundliche Person, die mir da vergnügt von der anderen Straßenseite zuwinkt? Oder der Mann, der mir bei einem kurzen Treffen vertrauensvoll die Hand auf die Schulter legt und die Gattin grüßen lässt? Und das Kind, mit dem die Tochter gerade spielt – ist das die aus dem Imbiss an der Ecke? Egal, immer nur lächeln, übers Wetter plaudern und sich nicht anmerken lassen, dass man keine Ahnung hat, mit wem man es da gerade zu tun hat. Nun wissen wir aus regierungsamtlichen Munde, dass es der anderen Seite genauso geht.

Wer genau die Mittel für die Philippinen versprochen hat, war damit freilich noch nicht geklärt. Das Aufheben von Visitenkarten gehört offenbar nicht zu den Kernqualifikationen von philippinischen Regierungsmitgliedern, die in der Regel weniger nach Befähigung, sondern eher nach Loyalität und Familienzugehörigkeit ausgewählt werden. Nach intensiver Suche fiel jemandem aus der philippinischen Delegation ein, dass der Mann offenbar Michael Klein hieß. Aber was der nun genau beim IWF war? Laut Homepage ist er Chefökonom der IFC, der International Finance Corporation, einer mit der Weltbank verbundenen Institution.

Ist ja auch egal. Aber vielleicht hilft die Geschichte bei dem Dilemma mit den ewigen Verwechslungen weiter. Von mir aus können mich alle Ausländer Michael Klein nennen. Und alle Weißen auch, dann wären mal ein paar Peinlichkeitsgelegenheiten aus der Welt geschafft. Wenn nun bitte die asiatische Gegenseite einen ähnlichen Namen vorschlagen könnte? TILMAN BAUMGÄRTEL