schurians runde welten
: Post an Wagner

„Wenn man mit dem Rücken zur Wand steht, werden Kräfte frei.“

(Marcel Koller)

Das Gegenteil von Lachen? Weinen, sagt der Volksmund. Ich sage: Es ist der Volksmund. Besonders im Karneval, besonders bei der Düsseldorfer Prunksitzung, der ich gestern zusah, weil ich es leid war, Oliver Kahns Gebrüll zu hören und so leider seinen Patzer verpasste.

Der Volksmund sagt auch, Humor sei, wenn man trotzdem lacht. Und deshalb stellten sich in der Landeshauptstadt also Sänger auf die Bühne, um die Bildzeitung zu vertonen. Der Saal quietschte zu übellaunigen Versen über Eichels Staatsfinanzen, Mautdesaster, trübe Prominente, den FC Köln. Das Johlen wurde zum Gebell, als angejahrte Bierwannen ihre schmutzigen Alkphantasien heraus würgten, als lehnten sie zur Ausnüchterung überm Pissoir: Fremdgehen, Frau Nachbarin, Arschvolltoll. Träume, als Büstenhalter wieder geboren zu werden. Ich will nicht wissen, wie die riechen.

Köln ist Hochburg des Schabernacks – dort wird mehr gesungen, zum Glück eine oft unverständliche Mundart gepflegt, aber es riecht nicht ganz so schmutzig. Dafür stinkt es dem FC Köln gewaltig. Ganz unjeck wehrt sich der Club gegen den Kölner Stadtanzeiger mit einem Gegenkommentar.

Redakteur Karlheinz Wagner hatte zuvor eine fiese Philippika gegen Spieler Alexander Voigt geschrieben: Der kicke, als wäre er beim Kinderfußball stets als letzter gewählt worden. Halte der Trainerstab um Marcel Koller dennoch am Urkölner fest, weil die Neueinkäufe nicht so weit seien – was bitte sage das über die Neuen? Böse war Herr Wagner, aber auch lustig, ohne Muff.

Die Spieler haben dann zurückgeschrieben: „Früher war es so: In sich selbst als seriös ansehenden Medien arbeiteten seriöse Journalisten, die – wenn es an der Zeit war – kritisch das Zeitgeschehen begleiteten und in Kommentaren auch anmahnten – seriös versteht sich“, schwurbelt – die Erwiderung – los. Und wird nicht besser: Irgendwie trenne Wagner nicht zwischen Kommentar, Kolumne und Bericht, er habe zum verbalen Foulspiel ausgeholt, sei persönlich diffamierend. Unterschrieben wurde die Gegenwehr von allen Spielern – auch von Voigt. Was dann doch wieder witzig ist.

22.2. Dortmund - Köln

Trotz Faschingssonntag muss „Kölns Koller gegen Koller und Co.“ antreten. Das Wortspiel habe ich mir schützen lassen. Genauso wie „K.O.ller“ und „Kollera“.

Gespielt wird in Westfalen. Und hier fahren Vereine trotz Fasching ernsthaftere Geschütze gegen die Presse auf als dünne Gegenkommentare. Süddeutsche und Kicker werden von Borussia jetzt belangt: Sie würden nicht die Wahrheit schreiben, wenn sie von einer BVB-Schuldenlast von 17 Millionen Euro berichten. Wahrscheinlich liegt schon eine einstweilige Verfügung bei den Zeitungen.

Das schlage ich auch dem FC vor: Einstweilige gerichtliche Verfügungen. Nur so wird „unseriösen“ Medien das Maul gestopft. Zwar heißt das nicht, dass SZ oder Kicker Unrecht haben, aber erstmal wird nicht mehr berichtet. Außerdem: Es wäre wirklich herzzerreißend komisch, wenn Voigt beweisen müsste, dass er als Kind stets zu den Ersten gehörte – und nicht auf dem Rasen versauerte. Wie heute.CHRISTOPH SCHURIAN