Wohnen auf dem Bökelberg

Der Mönchengladbacher Architekt Heinz Döhmen will den Bökelberg auch nach seiner Stilllegung nutzen. Die Stadt hat andere Pläne: Das legendäre Fußballstadion soll abgerissen werden

„Wir müssen verhindern, dass banale Einfamilienhäuser an Stelle des Stadions entstehen“

VON HOLGER PAULER

Eine schöne Vorstellung: Dort wo heute die Borussia aus Mönchengladbach mehr oder minder erfolgreich um Bundesligapunkte grätscht, spielen in Zukunft Kinder – mit oder ohne Ball. Auf den Rängen und Tribünen, wo Fans und Zuschauer das Spiel ihrer Mannschaft leidenschaftlich oder nörgelnd begleiten, wird demnächst das Essen serviert.

Glaubt man Heinz Döhmen, könnte die Vision möglich werden. Der Mönchengladbacher Architekt hat in wochenlanger Arbeit ein Konzept entwickelt, wonach den Mönchengladbacher Bökelberg, nach seiner endgültigen Ausmusterung in diesem Sommer, weitergenutzt werden soll. „Es kann nicht sein, dass der Mythos Bökelberg so einfach zerstört wird“, sagt Döhmen. Im Modell ist vorgesehen, dass Rasen und Tribünen erhalten bleiben. Neben Wohnprojekten soll es auch Platz für eine künstlerische Nutzung des Geländes, etwa durch Spieler-Skulpturen und einer Kunststraße geben. Tribünendachbinder sollen zu Fußgängerbrücken recycelt werden. Außerdem ist eine dicht begrünte Garten- und Heckenlandschaft geplant.

Doch die Chancen zur Umsetzung stehen eher schlecht. Die Stadt Mönchengladbach hat vor einigen Wochen 16 Architekturbüros angeschrieben und zu einem Ideenwettbewerb zur Weiternutzung des Gelände am Bökelberg aufgefordert. Döhmen war nicht dabei. „Der Baudezernent hat mir gesagt, dass das Modell durchaus interessant sei, das Verfahren aber abgeschlossen sei und ohne mich laufen würde“, sagt Döhmen. Die vier ausgewählten Entwürfe sehen einen kompletten Abriss vor.

Allen Widerständen zum trotz kämpft Döhmen für seine Lösung. Der Abriss wäre für ihn schon aus emotionaler Sicht schwer zu ertragen. Von seiner Kindheit an ist der 76jährige mit dem Bökelberg aufgewachsen. Heute kann er von seinem Arbeitszimmer auf das Stadion schauen. Auch aus historischer Sicht sei der Abriss ein Skandal. Borussia Mönchengladbach hatte das Gelände im Jahre 1914 erworben. 1919 wurde das „Westdeutsche Stadion“ eingeweiht. Seit dem Umbau im Jahre 1962 trägt es den Namen Bökelberg. Der Bökelberg ist seitdem fest mit den Erfolgen der Borussia verbunden – vor allem in den 70er Jahren: fünf deutsche Meisterschaften, dazu UEFA- und DFB-Pokal. „Ohne Borussia würde niemand die Stadt Mönchengladbach kennen“, glaubt Heinz Döhmen und ohne den Bökelberg wohl auch nicht.

Unterstützung erhält Döhmen von den Grünen. „Wir unterstützen das Projekt, auch weil es dem Aspekt der Nachhaltigkeit Rechnung trägt“, sagt die Geschäftsführerin des Kreisverbands Ulla Brombeis. Auch das Fanprojekt und mehrere Fanclubs wollen sich mit einer Unterschriftenaktion für das alternative Projekt aussprechen. Besonders große Rückendeckung gibt es vom Oberhausener Roland Günther. Der Stadtplanungs-Kritiker und Eisenheim-Bewohner ruft in seiner Funktion als Vorsitzender des Deutschen Werkbunds NRW zur Erhaltung des „Mythos Bökelberg“ auf. „Glaubt ihr denn wirklich, dass so ein großartiger Fußball wie in Mönchengladbach nach Abpfiff vergessen ist?“, fragt Günther. Das die Politik keinen Sinn für derartige Projekte hat, sei für ihn nichts neues, sagt Günther, schließlich befasse er sich sich seit 1967 mit der Industriekultur – gegen alle Widerstände. Seinen Werkbund-Kollegen Döhmen wolle er daher mit aller Macht unterstützen. „Wir müssen verhindern, dass durch eine verantwortungslose Entscheidung banale Einfamilienhäuser an Stelle des Stadions entstehen“, sagt Günther.

Trotz der scheinbar endgültigen Entscheidung der Stadt sehen sowohl Roland Günther als auch Heinz Döhmen Möglichkeiten, das Projekt weiter zu verfolgen. In den nächsten Tagen ist ein Gespräch mit dem Baudezernenten der Stadt angesetzt, die Grünen wollen in den Bau-Ausschuss einen Antrag zur Erhaltung des Bökelbergs einbringen und die Fans werden am Rande des Heimspiels gegen Freiburg für die Erhaltung des Bökelbergs demonstrieren – in der Hoffnung, dass auch in Zukunft Tribünenbesucher das Spielen auf dem Bökelberg-Rasen beobachten können.