Mahler vereint das Ruhrgebiet

Trotz der Kampfabstimmung bei der Kulturhauptstadtbewerbung des Ruhrgebietes arbeiten die Städte Bochum und Essen zusammen. Bei einem mehrjährigen Gustav Mahler-Konzertprojekt

VON PETER ORTMANN

Das Kriegsbeil zwischen Bochum und Essen ist wieder begraben, ein Gustav Mahler-Konzertzyklus vereint die beiden Städte. „Die Konkurrenz wegen der Fahne bei der Ruhrgebietsbewerbung um die Kulturhauptstadt ist beendet“, sagte der Bochumer Kulturdezernent Hans-Georg Küppers gestern im Rathaus der Stadt. Sein Essener Kollege Oliver Scheytt sieht den Abbau des kommunalen Kirchturmdenkens gerade in der Kultur: „So eine Bündelung von Kräften, das gibt es nur im Ruhrgebiet“. Dass die Kooperation so kurz nach den Auseinandersetzungen bei der Wahl im Ruhrparlament des Kommunalverbandes Ruhr (KVR) bekannt gegeben würde, sei eine zeitliche Zufälligkeit.

Grund für den Schulterschluss ist eine mehrjährige Kooperation zwischen dem Bochumer Generalmusikdirektor Steven Sloane und dem Philharmonie-Intendanten Michael Kaufmann aus Essen. Der Saalbau in der Stadt mit dem Zollverein-Weltkulturerbe wird gerade für 75 Millionen Euro zu einer Philharmonie umgebaut. „Zurzeit die größte Baustelle im Ruhrgebiet“, sagt Scheytt, eröffnet werde sie im Juni. Dort sollen die Bochumer Symphoniker in den nächsten Jahren den gesamten Gustav Mahler-Zyklus mit allen Sinfonien spielen. „Zwei oder dreimal im Jahr werden wir dort gastieren“, sagt Sloane, er hoffe, dass die Akkustik ausgezeichnet ist. Wie Mahlers VIII., die bei ihrer Uraufführung 1910 gewaltige 858 Sänger und 171 Instrumentalisten benötigte, realisiert werden soll, wisse noch keiner. „Vielleicht sind wir dann ja beide nicht mehr im Amt“. Steven Sloane amüsiert sich köstlich im Bochumer Rathaus.

In Essen muss erst einmal ein neues Publikum aufgebaut werden“, sagt Kaufmann und baut auf die Unterstützung des Bochumer Stammpublikums. Für große Events reise der Interessierte jetzt schon quer durch die Region: „Den Weg in den Essener Aalto-Opernbau kennen sie in Bochum alle“. Ein Geschenk der Bochumer sei das Unternehmen Mahler aber nicht. „Die unternehmerischen Risiken tragen wir gemeinsam.“ Kaufmann bestätigt, dass auch Bochum am Zyklus verdienen soll. „Alleine hätten wir das finanziell nicht tragen können.“ Auch Hans-Georg Küppers ist von der Kooperation mit der neuen Philharmonie überzeugt. „Auch Michael Vesper wird sehen, dass das neue Haus ein Erfolg wird.“ Geschäftsführer Ottmar Herren spielt süffisant auf Überlegungen des Kulturministers Vesper (Grüne) an, der die Anzahl der Konzerthäuser im Revier begrenzen wollte.

Ob die Kooperation auch einmal in Bochum stattfinden wird, ist noch nicht sicher. Steven Sloane wartet immer noch auf sein eigenes Haus. Das soll neben der Bochumer Jahrhunderthalle entstehen. „Wir haben den Auftrag, das zu realisieren“, sagt Kulturdezernent Küppers, bis 2006 soll die Spielstätte für die Bochumer Symphoniker, die ausdrücklich kein Konzerthaus sein will, aber stehen. Solange können die Musiker noch ungehemmt durchs Revier kooperieren. „Im Dortmunder Konzerthaus haben wir auch schon gespielt“, sagt Sloane.

So werden in den nächsten Jahren im Ruhrgebiet direkte Konkurrenten um ein Konzertpublikum entstehen, denn die Konzeptionen in Dortmund und Essen ähneln sich. Auch die neue Philharmonie orientiert sich beim Programm an einem Mix aus selbst produzierten Veranstaltungen und eingekauften oder ko-produzierten Konzerten. „Unser Orchester ist grundsätzlich ein Opernorchester“, sagt Michael Kaufmann, und das sei voll ausgelastet. In Dortmund wird das niemand gerne hören.