Transparenzregeln ändern wenig

betr.: „Ein Kodex für Pharmafirmen“, taz vom 21. 11. 08

Bei den Zuwendungen an Patientenorganisationen geht es für die Pharmaindustrie primär um Marketing. Viele Patientenorganisationen sind dabei, gewollt oder ungewollt, die Rolle des „nützlichen Idioten“ zu spielen. Warum ist das so?

Die Pharmaindustrie investiert ganz überwiegend in die Forschung und Entwicklung von sogenannten Nachahmerpräparaten, die an dem Markt bereits erfolgreiche Blockbuster nachbilden. Die meisten dieser „neuen“ Medikamente haben gegenüber bereits vorhandenen Präparaten keinen erkennbaren Vorteil. Weil dem so ist, müssen sie mit einem riesigen Werbeaufwand auf den Markt gedrückt werden. Zu staatlich garantierten Monopolpreisen (Patente), die die Kosten für unsere Krankenversicherung hochtreiben, bezahlt von unserem Geld, für etwas, was niemand wirklich braucht. Das finanzielle Sponsoring von Patientenorganisationen wie die „Information“ von Ärzten, die Finanzierung ärztlicher Fortbildung, Fachzeitschriften und Fachgesellschaften und von sogenannten Meinungsbildnern in der Medizin dient ganz überwiegend Absatzinteressen. Die Verantwortung dafür liegt jedoch nicht allein bei Big Pharma, die nur das tut, was ihre Aufgabe in einer „freien“ Marktgesellschaft ist: Gewinne zu machen, so hoch wie möglich. Sie liegt ebenso bei denen, die dieses Spiel mitspielen. Transparenzregeln werden daran nur wenig ändern. Der Irrsinn liegt im System. Echte Innovationen setzen sich von alleine durch und brauchen kein aufwendiges Marketing. Patientenorganisationen laufen Gefahr, ihr höchstes Gut zu verspielen, wenn sie sich in die Abhängigkeit der Pharmaindustrie begeben: das ihrer Glaubwürdigkeit.

DIETER LEHMKUHL, Berlin