Sri Lankas Friedensprozess in der Krise

Die separatistischen Tamil-Tiger-Rebellen wollen nicht an der nächsten Runde der Friedensgespräche teilnehmen

DELHI taz ■ Die Tamil Tiger (LTTE) haben am Montag ihre Teilnahme an den nächsten Friedensgesprächen „ausgesetzt“. In einem Brief ihres Unterhändlers Anton Balasingham an Premierminister Ranil Wickremesinghe werfen die Tiger der Regierung vor, nichts unternommen zu haben, um die Regierunstruppen aus öffentlichen Gebäuden abzuziehen. Ebenso kläglich seien die Schritte zur Rückführung von Vertriebenen. Beiden Forderungen hat sich die srilankische Armee bisher widersetzt. Sie fürchtet, dass eine Lockerung ihrer Sicherheitsmaßnahmen und die mögliche Infiltration von LTTE-Kämpfern im Strom rückkehrender Flüchtlinge die von Colombos Truppen besetzten Gebiete gefährden würden.

Der Anlass zum Rückzug für die nächste Woche in Thailand geplante siebte Gesprächsrunde war aber der Ausschluss der Rebellen von einem internationalen Sri-Lanka-Treffen letzte Woche in Washington. Die USA hatten im Vorfeld einer für Juni in Tokio geplanten Wiederaufbaukonferenz die wichtigsten Geberländer geladen, bestanden aber auf dem Ausschluss der LTTE mit dem Argument, Washington dürfe keine offiziellen Kontakte mit einer Terror-Organisation unterhalten.

Die Tiger empfanden dies als Schlag ins Gesicht, seien sie doch laut Balasingham „der wichtigste Friedenspartner und authentische Vertreter des tamilischen Volkes“. Damit sei das Vertrauen des Volkes in den Friedensprozess schwer angeschlagen. Die LTTE halte aber an einer Vermittlungslösung fest.

Zweifellos spielten auch die jüngsten schweren Zwischenfälle auf hoher See eine Rolle, bei denen Waffentransporte der LTTE entdeckt worden waren. Und letzte Woche gab es in der Kleinstadt Muttur südlich von Trincomalee Ausschreitungen zwischen Tamilen und Muslimen. Mehrere Personen wurden erschossen, zahlreiche Gebäude gingen in Flammen auf. Der Anlass sollen Entführungen muslimischer Männer durch LTTE-Kader gewesen sein, worauf Tamilen angegriffen wurden.

Nach dem Gesprächsabbruch dürfte nur die Opposition zufrieden sein. Sie betrachtet die Zugeständnisse der Regierung an die LTTE mit Misstrauen. Zu ihrer Sprecherin hat sich Staatspräsidentin Chandrika Kumaratunga gemacht. Was die Tiger „in einem Verhandlungsjahr erhalten haben“, sagte sie der indischen Tageszeitung The Hindu, „ist mehr, als was sie in achtzehn Jahren Krieg erreichen konnten. Im Norden besteht de facto so etwas wie ein eigener Staat. Sie hissen ihre Flagge, sie haben ihre Banken, ihre Gerichte, publizieren ihre Steuersätze in Zeitungen.“ Kumaratunga schloss sogar eine Entlassung der Regierung nicht aus, falls dies „das nationale Interesse“ fordere. In der Nacht zu gestern ordnete sie eine landesweite Verstärkung der Sicherheitsmaßnahmen an.

Am 22. Februar 2002 hatten Regierung und LTTE einen Waffenstillstand geschlossen mit dem Ziel, den 1983 begonnenen Krieg um einen Tamilenstaat zu beenden. BERNARD IMHASLY