„Angst muss keiner haben“

Trotzdem gibt NRW-Landwirtschaftsministerin Bärbel Höhn bei der Geflügelpest keine Entwarnung. Im Gegenteil: Sie fordert, sie ernster zu nehmen und eine europaweite Impfpolitik zu entwickeln

Interview IMKE ROSEBROCK

taz: Inwieweit ist Deutschland von der Geflügelpest betroffen?

Bärbel Höhn: Es gibt keinen bestätigten Fall in Deutschland und eine kleine Hoffnung. Letzten Freitag haben die Niederländer zum ersten Mal gesagt, die Zahl der neuen Fälle gehe leicht zurück. Vielleicht ist der Höhepunkt überschritten.

Sie geben Entwarnung?

Keineswegs. Schon gar nicht, wo die Geflügelpest jetzt auch in Belgien aufgetreten ist. Auch wir können jeden Tag betroffen sein. Problematisch ist vor allem, dass auch Wildtiere – ebenso der Mensch – das Virus übertragen. Vor Grenzen macht es keinen Halt.

Das Transportverbot dämmt das Übertragungsrisiko ein. Wie steht es mit dem Impfen?

Man kann das Geflügel impfen, in der Praxis ist das momentan aber leider nicht durchsetzbar. Als der Aachener Zoo vor wenigen Tagen beantragte, seine exotischen Tiere zu impfen, haben wir das unterstützt. Die anderen Bundesländer waren dagegen. Der Grund: Egal, wo in der Republik geimpft wird, aus ganz Deutschland dürfte in den nächsten Monaten kein Geflügel mehr exportiert werden. Das ist aberwitzig. Wir müssen deshalb europaweit zu einer völlig neuen Impfpolitik kommen. Das habe ich schon vor zwei Jahren bei der Maul- und Klauenseuche gefordert. Jetzt beraten das Europaparlament und die Kommission über erste Maßnahmen.

Welche Gefahr besteht für den Menschen?

Aus der Vergangenheit wissen wir, dass es auch Geflügelpest-Viren gibt, die für den Menschen gefährlich sind. 1997 hatten wir zum Beispiel eine solche Seuche in Hongkong. Sechs Menschen sind damals gestorben. 2003 hat es mit demselben Virus noch mal drei Tote gegeben. Für das Virus, das jetzt in den Niederlanden aufgetreten ist, galt bisher allerdings, dass es für den Menschen nicht gefährlich sei. Bindehautentzündungen – das war alles. Jetzt haben wir einen Todesfall. Angst muss der normale Verbraucher deshalb nicht haben, aber wir müssen das sehr ernst nehmen, insbesondere bei den Menschen, die intensiv mit kranken Tieren in Berührung kommen. Denn Viren können sich verändern und im Laufe der Seuche gefährlicher werden.

Welche Vorsichtsmaßnahmen müssen getroffen werden, um die zu schützen, die viel mit den Tieren zu tun haben, Geflügelhalter und Veterinärmediziner etwa?

Da das Virus über die Luft übertragen wird, können sie die Gefahr dadurch eindämmen, dass sie einen Mundschutz tragen. Auch für den Menschen existiert ein Impfstoff, der zwar nicht gegen dieses Virus direkt, aber gegen seine Verwandte schützt. Zudem gibt es Medikamente, die in den Niederlanden auch schon verabreicht werden.

Besteht denn beim Verzehr von infizierten Geflügelprodukten eine Gefahr?

Die Experten gehen davon aus, dass das Fleisch nicht gefährlich ist. Bei Eiern hingegen könnte schon mal was an der Schale haften. Dass sich der normale Verbraucher dann ansteckt, ist aber sehr unwahrscheinlich. Und im Übrigen dürfen die Bauern im Sperrgebiet auch keine Eier verkaufen.