Zu sauberem Strom endlich verpflichtet

Schweden: Energiekonzerne werden ab Mai gezwungen, Teile ihres Stroms aus Windkraft und Co zu gewinnen

STOCKHOLM taz ■ Ein neues Modell, um den Anteil erneuerbarer Energiequellen an der Stromproduktion zu fördern, geht am 1. Mai in Schweden an den Start: Von da an müssen alle Energieproduzenten einen Anteil ihres verkauften Stroms aus Windkraft, Wellen- oder Solarenergie, kleinen Wasserkraftwerken oder Bioenergie erzeugen.

Bisher wurden in Schweden Windkraftanlagen direkt gefördert und für die Produktion erneuerbarer Energien Steuer- und Abgabenerleichterungen gewährt. Die Umstellung des Energiesystems kam damit nicht vom Fleck. Der Anteil von Windkraft & Co dümpelt bei 7 Prozent. Der beabsichtigte Ausstieg aus der Atomkraft, die für 40 Prozent der Stromproduktion steht, ist so nicht zu schaffen.

Nach dem weltweit bislang unerprobten schwedischen Modell muss jeder Stromproduzent Ende April nächsten Jahres einen Anteil von 7,4 Prozent – bis 2010 wird der Anteil auf 17 Prozent steigen – grünen Stroms an seinem Verkauf nachweisen: Er muss ein „grünes Zertifikat“ vorlegen. Das bekommen Betreiber einer Windkraft- oder Solarenergieanlage – landesweit sind etwa 2.000 Anlagen zertifiziert worden – für jede Megawattstunde ins Netz eingespeisten Strom. Betreiber eines Atomreaktors, eines Kohlekraftwerks oder eines großen Wasserkraftwerks erhalten für ihren „schmutzigen“ Strom keine Zertifikate, müssen die Prozente aber ebenfalls nachweisen. Sie können dazu die Zertifikate kaufen oder eine Strafgebühr zahlen. Die beträgt rund 20 Euro pro Megawattstunde.

Die Hoffnung der Stockholmer Regierung: Investitionen in erneuerbare Energieproduktion werden von den Stromproduzenten als voraussehbares und damit sicheres Geschäft angesehen. Statt derzeit 6 Terawattstunden sollen in sechs Jahren mindestens 16 Terrawattstunden aus „grüner“ Produktion sein. Bezahlen werden diesen Umbau des Energiesystems die StromkonsumentInnen mit einem Aufschlag von bis zu 0,20 Cent pro Kilowattstunde.

Nicht nur die Stromproduzenten haben sich gegen das „Zwangssystem“ gewehrt. „Als ob man Strom wie Cornflakes in einem Supermarkt kaufen könne“, kritisiert Staffan Jacobsson, Professor für Forschungspolitik an der Chalmers-Universität in Göteborg. „Aber so ist das nicht. Neue Technik braucht Zeit, um sich zu etablieren. Dafür sind Kontinuität und Langsicht notwendig, die das Zertifikatesystem aber nicht bietet.“ Alle erneuerbaren Energiequellen in einen Topf zu werfen, sei ebenfalls falsch. Windkraft, Solarenergie und Biobrennstoffe seien unterschiedlich entwickelt und teure Techniken. Nun würde vor allem in Anlagen zur Verbrennung von Holzabfällen oder anderer Biomasse investiert, die aufgrund der Kraft-Wärme-Kopplung einen natürlichen Marktvorteil hätten und technisch am weitesten seien. Auf der Strecke blieben Windkraft und Solarenergie.

Dass dies ein kurzfristiger Effekt sein kann, bestreiten auch dessen BefürworterInnen nicht. Ihrer Ansicht nach ist es aber durchaus erstrebenswert, dass sich die konkurrenzfähigsten grünen Stromquellen durchsetzen. Lennart Värmby, Energiepolitiker der sozialistischen Linkspartei, etwa glaubt an die positive Kraft des Marktes. Er sieht in dem Zertifikatemodell einen Hebel, das Energiesystem insgesamt umzustellen: „Der nächste Schritt sollte es sein, dieses Modell auch auf Benzin und andere Treibstoffe zu übertragen.“

REINHARD WOLFF

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