Jukebox

Der musikalische Aszendent

Es wurde euch doch geweissagt: Pop will eat itself

Pop? Pop sei, meinte mal Thomas Meinecke vom musikalischen Münchener Popforschungsinstitut F. S. K., wie die chinesische Kulturrevolution. Der Tisch immer wieder neu abgewischt. Nicht Wachsen, sondern klare Schnitte. Ein beständiger Umwälzprozess. Der stete Vatermord, ohne Wehmut und ohne Tränen. So gnadenlos, wie nur noch die Hitparade sein kann. Weswegen Kulturrevolution und Kapitalismus sich ja so gut vertragen. Who wants yesterday’s papers? Wer will schon die Nummer eins von gestern. Das Geschäft bestimmt nicht. Immer neue Platten, kaufen & vergessen, der Trendberater wartet schon. So war man das gewöhnt und so sollte es sein, nur ist jetzt das flotte Wachstumstempo abgebremst. Es stagniert. Retardiert. Krise wird mittlerweile in der Branche größer geschrieben als Pop, und da muss man wieder zusammenhalten, so dass auch der Popjournalismus nicht schweigen darf. Der in seinen Wortmeldungen dann oft ein bisschen was Beleidigtes hat. Weil man bis vor kurzem Pop noch als irgendwie crazy capitalism betrachten durfte, der sich nun schlicht als das schnöde Geschäft entpuppt, das er einfach ist. Plötzlich muss man sich mit Dingen beschäftigen, mit denen man sich gar nicht beschäftigen will, Märkte, Vertriebswege. Sehr unsexy, solche Sachen. Sei’s drum. Seit einem knappen Monat läuft in der Süddeutschen eine Serie mit Beiträgen zur „Krise der Musikindustrie“. Gefragt wird: „Pop, was nun?“ (Salon-Bolschewikentum, das sich nicht den ganzen Lenin mit „Was tun?“ traut), der verdiente Jazzer des Volkes Klaus Doldinger schwadronierte hier von „nationaler Unterhaltungskultur“, dass man gleich einmarschierende Musikantenheere hörte, und rief nach dem Staat, Karl Bruckmaier und Jah Wobble priesen die Freuden der kleinen Labels. Weil ja nur die Großen nicht groß bleiben. Für die Kleinen aber sind wir alle. Mehr SC Freiburg für die Welt. Im Zweifelsfall mag man Großkotz Pop eher sympathisch. Wirkliche Veränderungen mag man eigentlich nicht. Kulturrevolution? Muss nicht sein. Was schon okay so ist. Am Mittwoch beginnt übrigens das „Festival Musik und Politik“. THOMAS MAUCH