Südsudan rüstet sich für den Frieden

Diese Woche haben Regierung und SPLA-Rebellen im Sudan ihre Friedensgespräche wieder aufgenommen. In den Hochburgen der SPLA planen Vertriebene jetzt schon die Heimkehr – und Rebellen die zu erwartenden Konflikte der neuen Friedenszeit

AUS RUMBEK ILONA EVELEENS

Täglich wächst das Spinnengewebe in den Ecken der provisorischen Schutzkeller in Deng Nhial. Die Einwohner des kleinen Weilers im Südsudan haben schon lange keinen Schutz vor Luftangriffen mehr suchen müssen. Der Waffenstillstand zwischen Sudans Regierung und Südsudans SPLA-Rebellen (Sudanesische Volksbefreiungsarmee) hat eine Atmosphäre von Frieden geschaffen, noch bevor die beiden Parteien formell Frieden geschlossen haben. Fledermäuse hausen jetzt in den Kellern.

Deng Nhial liegt ein wenig außerhalb des Städtchens Rumbek. Hier leben seit knapp vier Jahren rund 600 Vertriebene aus Sudans Ölgebieten weiter nördlich, verjagt von Regierungsmilizen.

Nun, wo nicht mehr gekämpft wird, will Peter Duop nur noch nach Hause. „Wir brauchen Geld, um unterwegs Essen zu kaufen“, überlegt er sich, während er in seiner kurzen Hose auf einem Hocker sitzt und mit den anderen Männern redet.

Die Stirn des hochgewachsenen Mannes ist tätowiert, wie es bei Sudans Nuer-Volk üblich ist. Das nomadisierende Viehzüchtervolk ist vor allem in Western Upper Nile beheimatet und daher besonders schwer vom Ölkrieg betroffen. Wie all die Nuer-Viehzüchter musste Peter Duop seine Tiere zurücklassen, als er floh. Die Vertriebenen nahmen für die 10 Tage dauernde Flucht nach Deng Nhial bloß ein paar Kleider und Kochtöpfe mit. „Das ist auch das Einzige, was wir zurücktragen wollen“, sagt er nun. „Wenn wir daheim sind, brauchen wir niemanden. Die internationale Hilfsorganisationen kommen immer wieder und fragen, was wir brauchen; aber keiner gibt uns ein wenig Geld, damit wir zurücklaufen können.“

Die Einwohner von Deng Nhial bekommen regelmäßig Besuch aus Rumbek. Das südsudanesische Städtchen entwickelt sich zum internationalen Hilfszentrum. In modernen Gebäuden aus Stein haben sich Hilfsorganisationen niedergelassen. Die Einheimischen wohnen in Lehmhütten mit Strohdächern.

Die Hilfswerke spekulieren auf den kommenden Wiederaufbau. Aber konkrete Pläne dafür gibt es nicht. „Die internationalen Spender wollen das versprochene Geld für den Aufbau von Sudan erst hergeben, wenn der offizielle Friedensvertrag unterzeichnet ist“, erklärt Guyson Adikobaa, der lokale Projektleiter des „Catholic Relief Service“ (CRS) in Rumbek.

Drei bis vier Millionen Sudanesen wurden im Krieg vertrieben. Manche kehren jetzt schon zurück, weil im Juni die Regenzeit anfängt. Dann ist es viel schwerer, weite Strecken zurückzulegen. „Auch wollen sie den Regen benutzen, um ihre eigene Nahrung anzupflanzen“, erklärt Malual Kodi, seit 1948 der traditionelle Chief von Rumbek. Der alte Mann im braunen Anzug und grüner Häkelmütze sitzt auf einen wackligen Stuhl im Schatten eines Baums.

Zur jetzigen Situation ist der Alte pessimistisch. Wenn es internationale Unterstützung für den Südsudan erst nach einem Friedensabkommen gibt, werden sich Spannungen aufbauen, fürchtet er. „Uns ist viel gelegen an Gastfreundlichkeit. Aber wenn das wenige was wir haben, schnell verschwindet, weil wir es teilen müssen, gibt es Ärger.“

Nicht weit vom Haus des alten Chiefs marschiert laut singend eine Gruppe Jugendlicher am Dom von Rumbek vorbei – eigentlich nur ein bescheidenes, rundes Kirchengebäude. Die Jugendlichen tragen jeder einen kleinen Rucksack. „Ich gehe in die Schule“, ruft einer.

Der indische Jesuitenpater Salvador Ferrao seufzt: „Manche von diese Kinder sind von zu Hause weggelaufen, weil man ihnen Unterricht versprochen hat. Aber es geht hier nur um die Einberufung in die SPLA.“ Der Pater mit dem grauen Spitzbart hat Recht. Die SPLA denkt nicht daran, ihre Macht abzugeben – nach einem Friedensvertrag wird sie den Südsudan als autonome Region regieren. Ein bewaffneter SPLA-Kämpfer führt die Kinder zum Akon-Boui-Platz, benannt nach einer Heldin aus der Mythologie, wo er den Jugendlichen Paradeschritte beibringt. Einwohner von Rumbek schmunzeln beim Anblick der neuen Rekruten.

Wofür werden sie rekrutiert? Seit Waffenruhe herrscht, ist die Zahl der Streitereien mit tödlichem Ende in und um Rumbek stark gestiegen. Und dabei geht es nur um Konflikte zwischen verschiedenen Clans der Dinka. Später könnten auch schlummernde Konflikte zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen aufbrechen. „Die Tradition der Blutrache ist heute stärker als während des Kriegs“, warnt Ferrao. Zwischen den Hirtenvölker der Dinka und Nuer gab es schon immer Konflikte. SPLA-Führer John Garang ist Dinka; hochrangige Nuer in der SPLA wechselten deswegen zeitweise auf die Seite der Regierung.

Die SPLA rüstet also für die Zukunft. Lokulenge Lole, Politologe in der SPLA, ist sich sicher, dass die meisten Menschen im Süden für Unabhängigkeit stimmen, wenn laut Friedensvertragsentwurf nach sechs Jahren Autonomie ein Referendum stattfindet. Und das wäre das Ende des Friedens. „Die Leute im Norden werden nie akzeptieren, dass wir selbstständig sein wollen. Dann wird es wahrscheinlich wieder Krieg geben. Aber wir sind dann in einer besseren Ausgangsposition, weil wir Staatsstrukturen haben. Dann sind wir ein viel furchterregenderer Feind als jetzt.“ Und ruhig wirft der grau gelockte Mann einen neuen Dartpfeil in das Brett an einem Baum. Das Licht der Dämmerung trügt, und zur Heiterkeit der Zuschauer wirft er daneben.