UNO gegen überhastete Wahlen im Irak

Annan und Bush sind sich einig: Ein Urnengang ist bis Ende Juni nicht zu organisieren. Aber möglicherweise werden die Wahlen vorgezogen. Nun werden verschiedene Vorschläge debattiert, wie eine irakische Regierung dennoch zustande kommen kann

VON INGA ROGG

UNO-Generalsekretär Kofi Annan hält Wahlen im Irak vor der für den 1. Juli geplanten Machtübergabe an eine irakische Übergangsregierung für verfrüht. Zwar scheine es einen Konsens darüber zu geben, dass Wahlen wichtig seien. Doch scheine die Tatsache allgemein akzeptiert zu werden, „dass es nicht möglich sein wird, eine Wahl zwischen jetzt und Ende Juni zu arrangieren“, sagte Annan gegenüber der japanischen Zeitung Yomiuri Shimbun. Bevor Wahlen abgehalten werden können, müssten die Bedingungen hinsichtlich Sicherheit und der juristischen Instrumente stimmen.

Damit unterstützt Annan die Position der Bush-Administration, die sich aufgrund der prekären Sicherheitslage und unzureichender Wahlregister gegen baldige Wahlen im Zweistromland ausgesprochen hatte. Ein abschließendes Urteil über das Verfahren der Machtübergabe will Annan aber erst nach einem Treffen mit Vertretern des UN-Sicherheitsrats bekannt geben.

Vor übereilten Wahlen hatte auch der gerade aus dem Irak zurückgekehrte UN-Sondergesandte Lakhdar Brahimi abgeraten. Wahlen, deren Ergebnis von den Verlierern möglicherweise nicht akzeptiert werden, könnten bestehende Konflikte nur noch verschärfen, warnte er in Bagdad. Ob er davon auch den schiitischen Geistlichen Großajatollah Ali Husseini Sistani überzeugen konnte, ist weiterhin ungewiss. Dieser hatte die vom provisorischen irakischen Regierungsrat und dem amerikanischen Zivilverwalter im November beschlossenen indirekten Wahlen strikt abgelehnt. Gemäß der Übereinkunft sollten in den 18 Provinzen des Landes in Regionalversammlungen die Mitglieder für ein Übergangsparlament gewählt werden. Das sollte bis zum 30. Juni eine Übergangsregierung bestimmen, die vom 1. Juli bis zur Abhaltung von allgemeinen Wahlen Ende 2005 die Regierungsgewalt übernommen hätte.

Der höchste Würdenträger der irakischen Schiiten forderte dagegen Direktwahlen. Nach Angaben verschiedener Mitglieder des Regierungsrats hat sich Brahimi für eine Vorziehung der Wahlen auf Anfang 2005 ausgesprochen. Unterdessen wird im Regierungsrat weiterhin heftig über die Wahl und Zusammensetzung der künftigen Übergangsregierung gestritten.

Einer der Vorschläge sieht die Erweiterung des bisherigen Rats auf 50 oder gar 100 Mitglieder vor. Vor allem Minderheitengruppen wie die kurdischen Jesidi haben in den vergangenen Monaten ihre fehlende Repräsentanz in dem Gremium beklagt. Dagegen steht der Plan, den Regierungsrat auf etwa 15 Personen zu reduzieren, um ihn handlungsfähiger zu machen. Dem jetzigen Rat wird häufig vorgeworfen, mehr mit Streitereien um Partikularinteressen beschäftigt zu sein als das Allgemeinwohl im Auge zu haben. Als dritte Alternative wird die Abhaltung einer Art Loja Dschirga nach afghanischem Vorbild diskutiert. Demnach sollte die Übergangsregierung auf einer landesweiten Versammlung von etwa 2.000 Notabeln, Stammesscheichs, religiösen Würdenträger und Personen des öffentlichen Lebens gewählt werden.

Angesichts der knappen Zeit scheint eine Erweiterung des Rats wahrscheinlich. Denn Washington will weiterhin daran festhalten, die Souveränität bis Mitte des Jahres an den Irak zurückgegeben. Damit ist weiterer Streit im Regierungsrat vorprogrammiert, da die Schiiten auf keinen Fall auf ihre jetzige knappe Mehrheit verzichten wollen. Zugleich drängen aber etliche Ratsmitglieder auf eine stärkere Einbindung der Sunniten, die bislang fast einzig durch die konservative Islamische Partei vertreten sind.