„Wir verkaufen doch kein Gemüse“

Finanzsenator Sarrazin (SPD) will die Berliner Unis mit noch mal mindestens 200 Millionen Euro zur Ader lassen. Die Hochschulen drohen dann in Chaos und Mittelmäßigkeit abzugleiten, sagt Jürgen Mlynek, Präsident der Humboldt-Uni

taz: Herr Mlynek, was treibt die Berliner Universitäten zu solch drastischen Drohgebärden wie dem Aufnahmestopp für neue Studierende ab dem kommenden Wintersemester?

Jürgen Mlynek: Die Berliner Universitäten wollen endlich wissen, woran sie sind. Wir verkaufen ja kein Gemüse, sondern bilden junge Menschen aus. Das heißt, wir gehen Verpflichtungen über mehrere Jahre ein. Durch die Hochschulverträge haben wir noch bis 2005 eine finanzielle Zusage. Was uns 2006 erwartet, ist aber unklar. Wir haben mit absurden Sparvorgaben zu tun, die der Finanzsenator nicht müde wird zu wiederholen. Die sind nicht realistisch zu erbringen.

Wo steuert das Ihrer Meinung nach hin?

Ins Chaos und – was die Universitäten angeht – ins Mittelmaß.

Werden denn die Universitäten die Qualität von Lehre und Bildung sichern, wenn sie ab dem kommenden Wintersemester kaum noch Studenten aufnehmen?

Das dient nicht so sehr der Sicherung von Qualität. Vielmehr müssen wir Politik und Öffentlichkeit darauf aufmerksam machen, was diese Sparsummen, die bislang undementiert und unkommentiert durch den Regierenden Bürgermeister im Raum stehen, konkret bedeuten. Die haben Konsequenzen. Damit muss die Politik sich auseinander setzen und uns möglichst rasch Rahmenbedingungen vorgeben, die das Fortführen von Verhandlungen ermöglichen.

Wenn bis Juni keine Bewegung in die Verhandlungen kommt, wird Ihre Drohung wahr. Gibt es Hoffnungen?

Am 20. Mai findet die nächste Runde mit allen beteiligten Vertragshochschulen statt. Am Tag davor geht der Senat in Klausur, um über mögliche Eckwerte für die Finanzierung des Haushaltes der nächsten Jahre zu sprechen. Ich erwarte, dass da auch über die Finanzierung der Hochschulen gesprochen wird, so dass wir am 20. Mai wissen, worüber wir eigentlich sprechen.

Welche konkreten Forderungen haben Sie an den Senat?

Bei den Verhandlungen mit der Wissenschaftsverwaltung sind wir auf einem vernünftigen Weg. Wir eruieren bereits über Benchmarking-Prozesse, wo es überhaupt noch Einsparpotenzial gibt. Da werden keine großen Summen rauskommen. Die von Finanzsenator Sarrazin genannte Summe macht es uns aber zunehmend schwer, zu agieren. Wir können kaum noch Berufungen durchführen, Bleibeverhandlungen platzen, Spitzenpersonal wandert ab. Wenn die Politik will, dass eine Universität geschlossen werden soll, dann muss sie es deutlich sagen. Ansonsten muss man die drei Berliner Universitäten auch international so wettbewerbsfähig machen, dass sie der Rolle von Hauptstadtuniversitäten gerecht werden können.

Heißt das letztlich, Sparen ist bei den Unis nicht mehr drin?

Wir wollen uns einem Konsolidierungsbeitrag nicht verschließen. Aber die gegenwärtig diskutierten Summen sind völlig abstrus. Wenn wir hier nicht auf eine vernünftige Basis zurückkommen, auf der wir gemeinsam nach Lösungen suchen können, dann brauchen wir nicht länger zu verhandeln. INTERVIEW:
ADRIENNE WOLTERSDORF