Parteitag debattiert über die Alten

Ulla Schmidt beauftragt die Rürup-Kommission, den Delegierten am 1. Juni ein Konzept für die Rentenreform zu präsentieren – zusätzlich zu den Sozialkürzungen der Agenda 2010. Gewerkschafter wissen nicht, wogegen sie zuerst protestieren sollen

von HEIDE OESTREICH

Der Show-down beim Sonderparteitag der SPD wird umfassender als gedacht. Nicht nur über die Sozialkürzungen der Agenda 2010 sollen die Delegierten am 1. Juni in Berlin abstimmen, nun wird Sozialministerin Ulla Schmidt mit weiteren Zumutungen für die Delegierten aufwarten. Gestern kündigte sie an, dass die Rürup-Kommission auf dem Parteitag auch Vorschläge zum Thema Rente präsentieren wird. Sie reagierte damit auf die Ankündigung der SPD-Linken, die Rente auf den Parteitag zum Thema machen zu wollen.

Rürup werde dabei keine neue Rentenformel präsentieren, sagte die sozialpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Helga Kühn-Mengel, der taz. Vielmehr gehe es um einen „Nachhaltigkeitsfaktor“, der den „demografischen Faktor“ der Kohl-Regierung ersetzen wird. Ihn hatte Rot-Grün in der letzten Legislaturperiode abgeschafft.

Der Nachhaltigkeitsfaktor soll vor allem die Bevölkerungsentwicklung berücksichtigen und dadurch eine langsame Senkung des Rentenniveaus bewirken.

Eines der Hauptprobleme des Rentensytems ist jedoch die wachsende Zahl von Rentnern, der weniger starke Generationen von Beitragszahlern gegenüberstehen, will man die Rentenbeiträge und damit die Lohnnebenkosten in einem moderaten Rahmen halten.

Auf dem Parteitag werde keine neue Rentenformel vorgestellt, sondern lediglich ein Bündel von Vorschlägen zum Problem der Überalterung, erläuterte Kühn-Mengel. Der Kommissionsvorsitzende Bert Rürup, so verlautete in den vergangengen Tagen, erwäge dabei auch eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit von 65 auf 67 Jahre.

Dem steht die SPD-Sozialpolitikerin skeptisch gegenüber. Es müsse zumindest Härtefallregelungen für diejenigen Menschen geben, die körperlich schwer arbeiteten, forderte sie.

Länger arbeiten und dann weniger Rente, das klingt nicht nach Vorschlägen, die der Sonderparteitag goutieren wird, zumal ihm diese Zumutungen zusätzlich zur Agenda 2010 aufgetischt werden. Gewerkschaften und Sozialverbände schalteten gestern schon mal die Warnblinker ein und kündigten Proteste an.

Auch Kühn-Mengel ist nicht begeistert. „Es hilft nicht, wenn wir nur Kürzungen und Belastungen präsentieren“, sagte sie. „Das Gesamtpaket muss ausgewogen sein.“ Wie das zu schaffen sei, wollte sie sich noch nicht vorstellen.

Einer Verlängerung der Lebensarbeitszeit steht derzeit allerdings entgegen, dass seit Jahren bevorzugt ältere Arbeitnehmer entlassen werden. Zählt man Erwerbsunfähige zu den Altersrentnern hinzu, liegt das reale Renteneintrittsalter derzeit bei 59,2 Jahren.

In jedem zweiten deutschen Betrieb ist kein Beschäftigter älter als 50 Jahre. In dieser Altersgruppe sind 25,2 Prozent der Erwerbsfähigen arbeitslos. Ob die demografische Entwicklung tatsächlich den Druck erzeugt, Ältere in Zukunft weiterzubeschäftigen, ist umstritten.

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