6.500 Männeradressen sind das Betriebskapital

Bei „Kröning Kleidung Köln“ in Weidenpesch bestimmt nicht der persönliche Geschmack über Stoff, Farbe und Zuschnitt einer Karnevalsuniform, sondern der Verein. Das Pfund, mit dem die Firma wuchert, ist die Tradition der rheinischen Männerbünde. Dreihundert Kanevalsvereine füllen die Kundenkartei

VON Cornelia Gürtler

Wo es Kleidung zu kaufen gibt, bestimmt die aktuelle Mode das Angebot. Nur nicht bei „Kröning Kleidung Köln“. Hier bestimmt nicht der Geschmack des Individuums über Stoff, Farbe und Zuschnitt, sondern die Tradition eines Vereins. „Fabrikation von Gesellschaftskleidung, Karnevalsuniformen, Schützenjacken und Mützen“, verkündet das Schild an der schmucklos weißen Hauswand in Weidenpesch, Simonskaul. Seit November herrscht hier Hochbetrieb: 650 handgeschneiderte Uniformjacken und fast 1.000 Karnevalsmützen haben bis zum Beginn der heißen Phase das Haus verlassen.

Die Inhaberin, Evelyn Cleve, ist zierlich, zurückhaltend und erschöpft von dem, was hinter ihr und ihren 16 Mitarbeiterinnen liegt. Aus Hamburg zog die Textilfachfrau vor drei Jahren zurück nach Köln. Sie übernahm den Betrieb des Vaters mitten in der Rezession. Die Umsätze konnte sie halten. „Damit gehöre ich schon zu den Siegern in der Branche.“ Auf der Homepage heißt es: „Heute gehört wohl fast jeder namhafte Verein in Köln und Umgebung zu den zufriedenen Kunden von Kröning.“

Das Pfund, mit dem sie wuchert, ist die Tradition der rheinischen Männerbünde. Ihr Vater hatte 1962 mit Uniformen für die KVB begonnen und verlegte sich dann mehr und mehr auf Karnevals- und Schützenuniformen. Alle 400 Orden, die ihr Vater seitdem als Anerkennung verliehen bekam, hängen an der Wand.

Evelyn Cleves größter Erfolg: der landesweite Alleinvertrieb für die traditionellen Karnevalsmützen der bayrischen Firma Meinel. „Die machen noch die alte Kurbelstickerei, die wir nicht können.“ Die zierlichen Glitzerschnörkel von Meinel lassen die schwere dreispitzige Narrenkappe des Kölner Karnevalsprinzen leicht mal 500 Euro kosten. Mehr, als der komplette Offizierswaffenrock der Prinzengarde wert ist.

Und der hat es in sich. Vier Wochen brauchen die Schneiderinnen für die gefütterte zweifarbige Prunkjacke aus Schurwolle: für die perfekte enge Passform, die üppigen Schwalbenschwänze, die an den Schenkeln herunterhängen, für die Schulterklappen und für zahlreiche zusätzliche Litzen über der Brust, die den Offizier vom einfachen Gardisten abheben. Elfenbeinfarben und rot seit fast 100 Jahren – so muss der Waffenrock sein. Die Litewka, also die Soldatenjacke ohne Schwalbenschwänze, ist aus demselben Stoff und kostet 270 Euro. Fast zwei Drittel des Umsatzes macht Kröning mit Brauchtumsuniformen und den Mützen aus Bayern.

Dreihundert Vereine füllen die Kundenkartei, über all die Jahre aufgefüllt mit Ehemaligen, Aktiven, Reservisten, Jung-Spunden und Kameraden jeder Couleur und Truppe. Schützen, Bürgerwehren, Narrengilden, Zünfte, Männerchöre, Tambour-Corps, Luftflotten, Husaren, Jäger, Fahnenschwenker, Grenadiere, Artilleristen, Reiter, Prinz-Gardisten und Funken von Aachen bis ins Bergische Land, vom Niederrhein bis Bonn – das macht 6.500 Männeradressen, das Kapital von Evelyn Cleve. „Eigentlich mochte ich den Karneval nie, aber in den vergangenen drei Jahren habe ich ihn schätzen gelernt“, verrät sie.

Im Frühjahr, Sommer und Herbst entwirft sie ein Mailing und schickt es an alle Kunden. Die neue Zivilkollektion wird ankündigt: Smokings, Smoking-Hemden, Westen, Sakkos, Hosen, Pullover, Krawatten und Gesellschaftskleidung für die Dame. Viele kommen persönlich nach Weidenpesch. Das ist dann ein Ereignis mit Fassbier, Häppchen und Musik. „Letztes Frühjahr war es gigantisch, 200 waren hier“, strahlt die Chefin, in deren Büro so gar nichts an Vereinstraditionen erinnert. Es ist ist frei von Orden und Eichenmöbeln, dafür in Glas, Stahl und sachlichem Schwarz-Rosé. Was Kröning der Konkurrenz voraus habe, sei die Sicherheit, die man dem Kunden biete. Die Sicherheit, genau wie die Kameraden standesgemäß in beste Handwerkstradition zu investieren und dass die maßgeschneiderte Uniform – zumindest in 90 Prozent aller Fälle – schon beim ersten Anprobieren passt.

Aber auch die Sicherheit, eine ramponierte Litewka vor dem Appell einwandfrei zurückzubekommen. Alle Knöpfe müssen festsitzen, abgelöste Litzen und das gerissene Futter müssen geflickt sein. Denn sonst drohen beim Corpsappell Geldstrafen.

Die Kleiderordnung der Karnevalsvereine kann oft mehrere Seiten lang sein. Bis sie in der Truppe etabliert sind, dürfen Neulinge nicht unangenehm auffallen. Erst dann können sie ihre Jacke in Auftrag geben. Und die tragen sie fünfzehn Jahre – oder bis sie ihnen vom Leibe fällt. Wenn sie Kilos zulegen oder welche verlieren, muss die Jacke geändert werden, möglichst bei Kröning.

Künftig will Cleve auch einen Reinigungsservice anbieten. „Bei manchen sind die Sachen total versifft“, sagt sie. Bei wem besonders? „Geschäftsgeheimnis“, bleibt Cleve diskret.

Einen Werbespruch für das neue Angebot hat sie schon im Kopf: „Et es wedder so wig, un vun hück aan reinijen mer ooch de Jack. De Knöpp näje mer ja esuwisu wedder aan.“