Versprochen und gebrochen

Auch nach den neuen gesetzlichen Regelungen gibt es bei Kündigungen keinen Rechtsanspruch auf Abfindung

Das Kündigungsschutzrecht ist mit Wirkung für Kündigungen, die ab dem 1. Januar 2004 ausgesprochen werden, verschlechtert worden. Rot-Grün hat die 1996 eingeführten Regelungen der Kohl-Ära wieder ausgegraben, die 1998 gerade von Rot-Grün abgeschafft worden waren. Im Vermittlungsausschuss wurde dann noch die Mindestgröße der Betriebe für die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes auf mehr als zehn Beschäftigte heraufgesetzt. Zudem wurden noch gleich die Steuerfreibeträge für Abfindungen abgesenkt.

Verschlechterungen also insgesamt. Aber auch eine Verbesserung der Situation Gekündigter war versprochen: „Wir wollen einen Rechtsanspruch auf Abfindung einführen. Dann muss keiner mehr auf Wiedereinstellung klagen, um eine Abfindung auszuhandeln.“ So der damalige SPD-Generalsekretär Olaf Scholz im SPD-Organ „Vorwärts“ im Mai 2003. Die Verschlechterungen sind in Kraft. Nur: Abfindungen für betriebsbedingte Kündigungen gibt es immer noch nicht „automatisch“.

Abfindungen werden fast nie durch das Gericht „diktiert“ (Ausnahme § 10 Kündigungsschutzgesetz – KSchG). Das Gericht kann nur entscheiden, ob die Kündigung berechtigt ist oder nicht. Verhandlung und Festlegung von Abfindungen aber sind stets Sache der Parteien selbst, sie werden stets ausgehandelt. Abfindungen werden zumeist nur gezahlt, wenn ein Arbeitnehmer sich beim Arbeits- gericht gegen eine Kündigung wehrt (oder droht, sich zu wehren) und der Arbeitgeber die Gefahr sieht, den Prozess zu verlieren.

So ist es auch jetzt noch die unveränderte rechtliche Situation trotz der hehren Ankündigung der SPD: der neue § 1a KSchG sagt, dass der Arbeitgeber zusammen mit der betriebsbedingten Kündigung eine Abfin- dung anbieten kann und dann der Arbeitnehmer eine Abfindung von 50 Prozent Bruttomonatsentgelt pro Beschäftigungsjahr erhält, wenn er auf die Kündigungsschutzklage verzichtet. Der Arbeitgeber darf anbieten, der Arbeitnehmer kann dies also nicht verlangen. Ohne freiwilliges Angebot des Arbeitgebers bleibt alles wie bisher.

Dementsprechend wird der neue § 1a KSchG bewertet: er mag „populistisch und öffentlichkeitswirksam sein – effektiv und zielführend ist er nicht“ (Arbeitsrechtsausschuss des Anwaltsvereins), er sei – so andere – eine „Veralberung der Arbeitnehmer“.

Die schlechte Berichterstattung in einem großen Teil der Presse („Abfindung für jede betriebsbedingte Kündigung“) führt zudem dazu, dass bei Beschäftigten völlig falsche Erwartungen geweckt werden – bis dann die gewerkschaftliche oder anwaltliche Beratung das Politikgekasper gerade rücken muss. Wie bisher gibt es also einen Anspruch auf Abfindungen nur, wenn im Betrieb ein Betriebsrat besteht und im Rahmen einer größeren Betriebsänderung ein Sozialplan abgeschlossen wird. Nach jüngsten sozialwissenschaftlichen Untersuchungen (Hans-Böckler-Stiftung) werden nur bei 15 Prozent aller ausgesprochenen Kündigungen Abfindungen gezahlt. Daran wird auch die Neuregelung des § 1a KSchG nichts ändern. Dr. Klaus Bertelsmann

Der Autor ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in Hamburg