Keine Kinder mehr!

Aus Protest gegen Krippenabbau in Hamburg erklären 18 Frauen jetzt den symbolischen Gebärstreik. Die taz dokumentiert die Aktion in Text und Bild

„Auf den Punkt gebracht bedeutet schwanger sein in Hamburg heute, abtreiben oder zurück an den Herd“

VON kaija kutter

Mitten im Wahlkampf griff Bürgermeister Ole von Beust (CDU) vor drei Wochen in die missglückte Hamburger Kita-Politik ein und versprach allen berufstätigen Eltern einen Gutschein. Der Rettungsversuch ging gründlich daneben. Selbst die Jugendpolitiker der eigenen Partei waren überrascht, als klar wurde, dass dafür die bis dato vergleichsweise gute Versorgung Hamburgs mit 5.000 Krippenplätzen geopfert wird. Denn für diese gibt es keine Scheine. Doch von Beust legte nach: „Es geht um Liebe und Nestwärme in den Familien, dafür müssen wir sorgen. Kleinkinder sollten statt staatlicher Betreuung mehr Liebe und Betreuung zu Hause erleben.“

Eine Gruppe von 18 Hamburger Frauen greift jetzt zu einem ungewöhnlichen Mittel, um gegen diese geballte männliche Ignoranz zu protestieren. Die Juristin Christine Siegrot und die Psychologin Nanette Toiliée riefen zu einer Selbstbezichtigungskampagne „Keine Krippe, keine Kinder“ auf. Ihr schlossen sich bislang 40 Frauen an, 18 von ihnen erklären heute gleichzeitig in taz und Mopo, warum sie sich unter diesem Umständen gegen Babys entscheiden.

„Auf den Punkt gebracht bedeutet Schwangerschaft in Hamburg für Frauen derzeit, abtreiben oder zurück an den Herd zu müssen!“, heißt es nun in dem Aufruf der Hamburgerinnen, der unter www.kita-gutschein.de für weitere Unterschriften bereit steht. „Viele Frauen gehen immer noch davon aus, dass sie in Kürze einen Platz bekommen, weil sie schlicht nicht glauben können, was hier passiert“, berichtet Siegrot. Doch offenbar sei der Rechts-Senat bereit, die Frauen an den Herd zurückzudrängen. „Ist doch ein willkommener Nebeneffekt“, vermutet Siegrot, „dass der Arbeitsmarkt um uns Mütter bereinigt wird.“

Die Aktion artikuliert öffentlich, was sich ohnehin seit Jahren in dieser Gesellschaft im Stillen abspielt. Denn 41 Prozent aller Akademikerinnen sind bereits heute kinderlos. Die Geburtenrate ist in den europäischen Ländern am höchsten, in denen sich Beruf und Kinder aufgrund guter Betreuungsmöglichkeiten am besten vereinbaren lassen.

An dieser Aktion beteiligen sich auch Frauen, die erst kürzlich ein Kind bekommen haben und nun feststellen, dass die Stadt sie im Stich lässt. Die 27-jährige Werbetexterin Alexandra R. zum Beispiel ist mit ihrem fünf Monate alten Baby vollkommen auf sich gestellt. Sie muss die Vollkosten von 1.085 Euro für den Krippenplatz zahlen, an denen sich bis August zur Hälfte der Arbeitgeber beteiligt.

Ihr kleiner Sohn Tom ist seit Januar in einer Krippe „gut integriert und liebevoll betreut“, wie sie berichtet. Da Tom nur sie allein als Bezugsperson hat, sei der Kontakt zu anderen Kindern wichtig. Alexandra R.: „Eine Tagesmutter kommt für mich nicht in Frage, eher würde ich den Job aufgeben.“ Doch dies geht nicht, da sie in ihrem Beruf „am Ball bleiben muss“.

Es sei, so die Frauen, eine „perfide Beruhigungsstrategie“ des Senats, auf die Plätze bei Tagesmüttern zu verweisen, da diese für viele Eltern keine adäquate Alternative darstellen. Zwar gebe es gute Tagesmütter, doch für die müsse häufig privat Geld dazubezahlt werden.

Laut CDU-Kita-Experte Marcus Weinberg hat seine Partei das „Thema erkannt“. Es dürfe „keinen Rückgang der Krippenplätze geben“, erklärt er gegenüber der taz. Die CDU bestehe darauf, dass es bald nach der Wahl auch Krippen-Gutscheine gebe. Die Eltern, so Weinberg, hätten „gute Gründe“ dafür, ihr Kind in eine Krippe zu geben. „Es ist gesellschaftspolitisch wichtig, dass die Stadt das anbietet.“ Das muss er nur noch Ole von Beust erklären.

Der erhielt übrigens heftige Schelte von der Konkurrenz. „Die CDU ist für Frauen nicht wählbar“, befand die GAL. Und die Landesfrauengruppe der – ebenfallsund hauptsächlich für diese Kita-Politik verantwortlichen – FDP erklärte: „Gerade ein Ole von Beust sollte nicht ein überholtes Rollenbild propagieren, dass er selber nicht leben will.“