Vorsicht vor geschenkten Kitas!

In die Kita-Übertragung kommt neuer Schwung: Jetzt werden die Immobilien verschenkt. Doch fürchten die Freien Träger auf den Sanierungskosten sitzen zu bleiben. Bezirke lehnen Kita-GmbH ab

von ANNA LEHMANN

Ostseestimmung in Lichtenberg. „Das ist eine richtige Welle, die jetzt hier losgeht“, sagt Michael Räßler, Jugendstadtrat im Großbezirk Lichtenberg/Hohenschönhausen. In die Kita-Übertragungen kommt endlich Schwung. Bis zum Ende des Jahres 2005 sollen zwei Drittel der rund 140.000 Kitaplätze von freien Trägern betreut werden, doch stagnierte der Anteil in freier Trägerschaft seit einigen Monaten bei einem Drittel.

Schuld daran war unter anderem die rechtliche Unsicherheit, wie mit den Immobilien zu verfahren ist. Verkaufen, verpachten, verschenken – alles schien möglich. So wurde bisher in Lichtenberg gerade mal eine von 24 Kitas an einen freien Träger übertragen. Doch nun haben sich die beiden zuständigen Senatoren Thilo Sarrazin (Finanzen, SPD) und Klaus Böger (Jugend, SPD) geeinigt: für den symbolischen Wert von einem Euro wechseln die Immobilien den Träger. Angesichts der Haushaltsnotlage sperrte sich Sarrazin dagegen, die Immobilien unter Wert zu verkaufen. Im Gegenzug müssen die freien Träger deshalb die Sanierungskosten übernehmen. Das streut neuen Sand ins Getriebe der Übertragungen. Jahrelang wurde an den Häusern nichts getan und sie rotteten friedlich vor sich hin.

Zudem wird bei einem Trägerwechsel eine neue Betriebserlaubnis fällig. Viele Häuser verfügen beispielsweise nicht über den vorgeschriebenen zweiten Notausgang. Der Investitionsbedarf wird vom Senat mit 80 Millionen Euro veranschlagt. Allein in Friedrichshain/Kreuzberg wären eine Million Euro vonnöten, um die Kitas übertragungsfähig zu sanieren, sagt Bezirksstadträtin Christine Keil (PDS). „Der Bezirk hat dieses Geld nicht, und ich kenne auch keinen freien Träger, der darüber verfügt.“ In ihrem Bezirk haben bisher sechs Einrichtungen den Träger gewechselt.

Bei der Arbeiterwohlfahrt teilt man die Bedenken der Bezirksstadträtin, und so hält sich die Freude über die Ein-Euro-Regelung in Grenzen. „Nur weil man uns die Kitas schenkt, sind die Probleme nicht aus der Welt“, sagt der Geschäftsführer des AWO-Bezirks Südost, Jens Ahrens, im Hinblick auf den „beklagenswerten Zustand“ der Einrichtungen. Die AWO betreibt 20 Kitas in Berlin und hat Interesse an weiteren signalisiert. Doch dafür braucht der Wohlfahrtsverband Geld vom Lande für die fälligen Sanierungen. Ahrens fühlt sich ausgetrickst: „Ursprünglich wollten wir die Grundstücke gar nicht“, berichtet er. Die Liga der Wohlfahrtsverbände habe vielmehr vorgeschlagen, die Kita-Immobilien beim Land zu lassen, und die Sanierungskosten über zehn Jahre gestaffelt an die freien Träger zu überweisen. „Mit den Grundstücken wird uns auch die Verantwortung zugeschoben“, sagt Ahrens und fordert den Senat auf, sich nicht aus dieser zu stehlen.

„Die finanzielle Unterstützung von unserer Seite ist dadurch gegeben, dass wir die Grundstücke zur Verfügung stellen“, macht die Sprecherin der Senatsverwaltung für Jugend, Rita Hermanns klar. Weitere Geschenke seien nicht möglich.

Angesichts dessen sind die Träger bei der Auswahl der Präsente wählerisch. Nachdem sich die Freien Träger die Rosinen herausgepickt haben, wird die marode Restmasse 2006 unter dem Dach eines Landesbetriebes zusammengefasst. Mit Gründung der so genannten Kita GmbH wird auch das letzte Drittel der Kitas übertragen, diesmal jedoch aus der Verantwortung der Bezirke in die der Stadt. Damit will der Berliner Senat unter anderem dafür sorgen, dass die Kita-Millionen nicht im Etat der Bezirke versickern.