B-Aktie auf Expansionskurs

Arme Bundeswehr! Erst muss sie hinaus in die Welt und jetzt auch noch an die Börse

Peter Strucks Stimme geriet bedrohlich ins Tremolieren: „Was der Kollege Eichel da vorhat, ist ein Menschen, ja Soldaten verachtendes Spardiktat.“ Grund der Struck’schen Pathos-Attacke: Der Finanzminister plant schon wieder eine neue Kostenkur. Die sieht für die Bundeswehr Einsparungen in Milliardenhöhe vor: allein 3,5 Milliarden Euro im nächsten Jahr und mehr als 18 Milliarden in den Jahren 2006 bis 2009.

Der Verteidigungsminister geht nun deswegen in die Offensive. In der Diskussion um die Abschaffung der Wehrpflicht fordert er eine radikale Umstrukturierung und Professionalisierung des behäbigen Bundeswehrapparates, vor allem aber unkonventionelle Wege aus der Sackgasse des Sparzwangs. Bei einem Fototermin vor Feldhaubitzen ließ Struck die Katze aus dem Sack: Er bereitet die Bundeswehr auf einen Börsengang vor!

„Wir haben rund um das Premiumprodukt Bundeswehr ein bestimmtes Markenbewusstsein kreiert und während des letzten Jahres eine Menge Branding-Aktivitäten entfaltet, die nun in klingende Münze umgewandelt werden sollen. Die Bundeswehr geht an die Börse – und der mündige Bürger kann dabei sein!“

Ein bestechender Gedanke. Und die Rechnung könnte aufgehen, denn die gute, alte Bundeswehr ist in den Stahlgewittern des Kosovo und der Wüstenwacht am Hindukusch zu einer international geachteten Einsatztruppe herangereift. Ihr Markenauftritt steht heute für granatenschonende Friedensbewahrung und professionelles Kriegsmanagement. Die neue B-Aktie könnte also im momentan günstigen Börsenumfeld zu einem blue chip für Anleger von Risikokapital werden.

Der von einer aufwendigen Werbekampagne begleitete Börsengang soll es ermöglichen, der sehr kapitalintensiven und renditeschwachen Bundeswehr Fremdkapital zu verschaffen und so unabhängig von staatlichen Sparzwängen zu werden. „Investitionen vor allem für Transportkapazitäten, aber auch für moderne Kommunikationstechnik und die strategische Aufklärung sind dringend nötig“, doziert Struck, „wenn die Bundeswehr weiterhin einen wirkungsvollen und international angemessenen Beitrag zur kollektiven Vorwärtsverteidigung leisten will.“ Die Kapitalspritze soll die Bundeswehr zur Nummer eins der europäischen Kriegsdienstleister machen.

Im Einzelnen sieht der Katalog der geplanten Investitionen Folgendes vor:

6.500 gepanzerte Mountainbikes mit „Torpedo“-Schaltung sollen der Truppe auch in unwegsamem Gelände uneingeschränkte Mobilität verleihen.

Die Neuentwicklung des Spähpanzers „Neue Mitte“ wird nach dem Willen des Ministers die eklatante Aufklärungslücke der Bundeswehr schließen.

Durch den Schulterschluss mit der Telekom soll jeder Soldat mit einem feldtauglichen Mobiltelefon im Tarnfarbendesign ausgestattet werden. Das Kommunikationsdefizit gehört damit endgültig der Vergangenheit an.

Durch die Vermietung von Werbeflächen auf Panzern, Lastwagen und anderem rollenden Material erhöht die Bundeswehr ihre Einnahmen und schafft sich gleichzeitig ein kundenfreundlicheres Image. Werbebanner hinter sich herziehende Tornado-Jets können außerdem von der feindlichen Luftabwehr nicht als militärische Objekte geortet werden.

Doch Zweifel bleiben bestehen. Sicherlich ist es richtig, dass eine moderne Premium-Armee heutzutage nicht mehr mit maroder Ausrüstung aus der Zeit des Kalten Krieges zu betreiben ist, aber Börseninsider sind skeptisch, ob sich Peter Struck mit dem Börsenmarsch der Bundeswehr nicht verrechnet hat. Für ein solches Vorgehen gibt es keinerlei internationale Vorbilder und auch für eine Armee gilt das Grundgesetz des gesättigten Marktes: Was passiert eigentlich, wenn eine konjunkturell sinkende Nachfrage nach Kriegsdienstleistungen den Markt für Angriffskriege einbrechen lässt?

Auf solche Einwände angesprochen, gibt sich Struck betont optimistisch. „Meiner Einschätzung nach wird militärisches Krisenmanagement ein Markt der Zukunft mit enormen Zuwachsraten sein.“ Um den Kurs des MAX, des Militärischen Aktienindex, dauerhaft hoch zu halten, sollen deshalb gezielte Maßnahmen zur Krisenintensivierung getroffen werden:

Ab sofort soll der Export von Waffen in Krisengebiete wieder gefördert werden. „Staatliche Gängelung passt einfach nicht in unsere Zeit der offenen Märkte.“

Durch die Entsendung von 8.000 Soldaten in die „3-K-Gebiete“ – Kundus, Kaschmir, Kaukasus – soll die dort gepflegte Kriegskultur auf dem bisher hohen Niveau gehalten oder sogar angekurbelt werden.

Kriegswillige Drittweltländer ohne Erstschlagkompetenz sollen durch gezielte Fördermaßnahmen „auf Vordermann“, das heißt in einen kriegsfähigen Zustand gebracht werden.

Mit diesem Maßnahmenbündel könnte es tatsächlich gelingen, die Nachfrage nach den Kriegsdienstleistungen der Bundeswehr weltweit zu steigern. Und was das für die Performance der B-Aktie heißt, ist ja wohl klar: Ihr Kurs wird explodieren.

RÜDIGER KIND