Knirschen und Kratzen

Im Gebälk lose verknüpfter, unfertiger Erzählfäden: Die Compagnie Le Carré de Lombes mit ihrem Stück „Concerto grosso pour corps et surface métallique“ auf Kampnagel zu Gast

von MARGA WOLFF

Diesmal geht die Rechnung nicht auf. Die bewährte Gratwanderung, mit der Kampnagel einerseits auf Experimente und andererseits auf publikumswirksame Aufführungen setzt, hat gerade im Tanz schon des Öfteren bewiesen, dass beides möglich ist, ohne Ansprüche und Prinzipien völlig zu verraten. Sobald aber der Mainstream bedeutungsschwanger versucht, sich als Avantgarde zu tarnen, stimmt am Ende gar nichts mehr. Dementsprechend verhalten reagierte denn auch das Publikum bei der Deutschlandpremiere der kanadischen Compagnie Le Carré de Lombes.

Angekündigt als spektakuläres Tanz/Klang-Erlebnis blieb der Tanz in nebulös verhangener Selbstverliebtheit unter einer prätentiösen Soundglocke hängen. Eine Traube von Lautsprechertrichtern hängt imposant von der Decke über einer kalt ausgeleuchteten, metallisch schimmernden Fläche. Der Titel des Stücks Concerto grosso pour corps et surface métallique suggeriert da auch nichts anderes, als dass es um Körper und eine Oberfläche aus Metall geht. Warum also ständig dieses fragende Staunen in den Gesichtern der Tänzer? Dabei liegt das Prinzip auf der Hand: Ein Mikrophon am Fuß einer Tänzerin überträgt die Signale der elektroakustisch verstärkten Metallplatten, die von der Sounddesignerin Nancy Tobin mit viel Hall angereichert wieder in den Raum geschickt werden. Das knirscht und kratzt wie ein schabender Schlittschuh auf Eis, verselbständigt sich zu einer geheimnisvoll anschwellenden Klangwolke. Immer wieder schlingen die Tänzer fröstelnd ihre Arme um den Leib.

Die Choreographin Danièle Desnoyers wollte aber schließlich nicht eine weitere Stomp-Show ins Leben rufen, jene populären Spektakel, in denen Bewegungsakrobaten eindeutig zuzuordnende Geräusche erzeugen. Lieber stöbert sie ein bisschen im postmodernen Tanzfundus und fördert im Bemühen um Sensibilität und Fragmentierung gegenläufig fließender Bewegung hier leider nur Klischees zutage. Sie reißt Erzählfäden an, die sie lose hängen und versanden lässt. Mitunter erscheint die Choreographie wie ein unermüdlicher Versuch in die Irre zu führen, der in seiner Unentschlossenheit und fehlenden Stringenz auf Dauer nur ermüdet und langweilt. Timing ist nicht Desnoyers Sache. Der Sound mit seinem quälenden Nachhall lässt ihr auch kaum eine Chance. Trotzdem ist offensichtlich, dass in den Gruppensequenzen der insgesamt fünf Tänzer mitunter lässig mit luschig verwechselt wird.

Zweimal schieben sich Klavieretüden in den synthetischen Soundnebel, sprengen für Momente die erstickende Atmosphäre. Doch der Tanz erschöpft sich auch hier in ein paar monoton reagierenden Gesten, die Choreographin verpasst den Moment zum erwachenden, eigenständigen Spiel. Und nur einmal gelingt es ihr, eine Episode zu Ende zu erzählen, wenn auch recht bizarr. Dann stakst eine Tänzerin im roten transparenten Hemd über die Bühne als taste sie sich vorsichtig hinein in den eigenen Traum – und findet sogar wieder hinaus. Neue Rätsel gibt sogleich eine andere Tänzerin mit weißen Sockenohren auf, die wie ein aus dem Hut gezaubertes Kaninchen ihr entgegen schleicht.

1989 hat Daniéle Desnoyers bereits die Compagnie Le Carré de Lombes gegründet. Kaum mehr als eine Hand voll Choreographien sind seither entstanden. Für das 1999 kreierte Stück Concerto grosso pour corps et surface métallique wurde die ausgebildete Tänzerin und Pianistin 2000 jedoch bei dem renommierten Choreografie-Wettbewerb von Bagnolet in Frankreich ausgezeichnet.

weitere Vorstellungen: heute und morgen, 20 Uhr, Kampnagel k6