„Hintergrund ist immer gut“

Martin Heller hat den Vertrag unterzeichnet: Bremens Kulturhauptstadtbewerbung hat damit einen offiziellen Strippenzieher bekommen. Dafür trat der Schweizer gestern ins Rampenlicht. Sonst hält er sich lieber im Backstage-Bereich des Kunstbetriebs auf

Anfangs drückt er sich ein wenig seitlich vom Kultursenator herum. Er blickt zurück zur Tür. Dann fällt es Kuno Böse und dem Bremer Marketing-Chef Klaus Sondergeld auf, dass sie ja ihn vorzeigen müssen, und sie nehmen Martin Heller, den künstlerischen Leiter der Kulturhauptstadt-Bewerbung dann doch fürs Fotoshooting in die Mitte. Anlass ist die erfolgte Vertragsunterzeichnung zwischen Land und der eigens gegründeten Firma „Heller Enterprises Zürich“.

Er gilt rückwirkend seit dem 1. April und ist vorläufig befristet bis zum Ende der Bewerbung. Der Kontrakt habe aber, bestätigen beide Seiten, eine Option zur Verlängerung. Der Rest ist vereinbartes Schweigen. Und auch übers Konzept, das Ende September stehen soll, werde „heute nicht geredet“. Böse schaut bittend ins Rund. Zweck des Termins sei ja, „die Person Martin Heller in den Vordergrund zu stellen“. Obwohl der Zeichenlehrer, Kunsthistoriker und Ethnolog den Kopf offenbar gar nicht gerne in Kameras hält.

Linkisch wirkt er dadurch nicht, und das Knipsen erträgt er gelassen. Der Schweizer spielt nur lieber eine andere Rolle. „Hintergrund ist immer gut“, sagt Heller, als die Fotografen das Triumvirat vor dem kollossalformatigen Bremer-Öl-Panorama im Senatssaal ablichten. Ein charakteristischer Satz, ein doppeldeutiger Satz: Die Sympathie für den Hintergrund kann auch eine Vorliebe fürs Verschmelzen mit ihm bedeuten.

Fremd scheint die Heller nicht zu sein: Mit fünf ganzseitigen Farbfotos hatte „Das Magazin“ des Zürcher „Tagesanzeigers“ sein zwölfseitiges Porträt-Interview mit dem Macher der Schweizer Landesausstellung im Frühjahr 2002 gestaltet. Auf allen ist Heller zu sehen – doch auf keinem sein Gesicht.

Mal ist der Kopf hinter einer der Installationen verschwunden, die der umtriebige 50-Jährige im Dreiseen-Land zwischen Are-Tal und Yverdon hat errichten lassen. Ein andermal sind seine Züge durch bewusste Unschärfe verschleiert. Und schließlich ist er aus der Totale abgelichtet, puppengroß, ganz oben auf dem 30 Meter hohen Stahl-Kubus, den Jean Nouveau für die „Expo.02“ mitten in den Murtensee platziert hatte.

Sich aus dem Bild rücken lassen – so inszeniert sich, wer als Ermöglicher gelten will, als Regisseur – vielleicht als Strippenzieher: „Instinktiv präzise“, so urteilt der Schweizer Journalist René Lüchinger, habe Heller in das „Räderwerk“ von schwerfälliger Politik und agiler Wirtschaft eingegriffen und genau damit das Projekt Expo „Realität werden lassen“. Mit 10,5 Millionen Besuchern und einem Milliardenbudget war die Schau das größte europäische Kultur-Projekt des vergangenen Jahres.

Die Strahler sind an. Ihr weißes Licht und das blasse der Energiespar-Deckenlampen mischt sich mit dem der Sonne. Das scheint indirekt durch die Fenster von der Marktseite herein: Zwielicht schmerzt. Bei seinem ersten semi-öffentlichen Auftritt in Bremen trägt der Bewerbungsintendant ein dunkles Jackett, darunter ein schwarzes Shirt, kragenlos. Neben ihm die Herren kleiden sich in Anzügen und schmücken ihre Hemden mit biederen Schlipsen – wie immer. Ein kalkulierter Kontrast. Als er nach der Einführung durch den Senator das Wort ergreift, schiebt Heller seine Sakko-Ärmel auf die Ellbogen. „Chance und Risiko“ sei die Bewerbung für Bremen. „Die Chance, Kulturhauptstadt zu werden bedingt das Risiko, die Fenster aufzumachen.“

Heller spricht gerne bildhaft. Aber er erklärt seine Metaphern auch: Riskant sei es „dadurch die Blicke von außen zuzulassen“ und „sich einem anderen Wind auszusetzen“. Klar ist, dass er sich durchaus als Teil dieses „anderen Windes“ versteht. Sein derzeitiger „Schnellkurs Bremen“ sei auch eine „kritische Überprüfung“ des Bestandes. Er wird dafür sorgen, „dass nicht alles beim Alten bleibt“. Heller nämlich akzeptiert laut Lüchinger die „Logik einer Ökonomisierung der Kultur“. Daran wird sich Bremens Kultur wird gewöhnen müssen.

Und umgekehrt auch die Wirtschaft: mit Übernahme der Expo-Leitung „zum Statthalter des Kapitals gestempelt“ zu werden, das habe ihn schockiert. So bekannte Heller 2002. In Bremen stellt er präventiv klar, dass er „von der Kunst her“ komme. Die Devise wird Partnerschaft lauten – und Gleichberechtigung.

Das Ziel, sich „zu bewerben, um Kulturhauptstadt zu werden“, sei ein „hoher, hoher Anspruch, für den ich den Kopf hinhalten muss und werde“. Verantwortung ergreifen, Unterschiede markieren: So betont man Eigenständigkeit – und wahrt sie. Auch die Konstruktion, nicht als natürliche Person, sondern als „Heller Enterprises“ mit der Stadt ins Geschäft zu kommen, dient der eigenen Unabhängigkeit. Die Sorge, dass sich der künstlerische Leiter die von seinem Auftraggeber oder gar dem kaufmännischen Leiter der Bewerbung abkaufen lassen könnte – die braucht Bremen nicht zu haben. Was bleibt aber ist die Frage, wie die hanseatische Kulturlandschaft seine Weltläufigkeit verkraftet. Benno Schirrmeister