Auf dem Papier sind alle stärker

Die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft startet am Sonntag in die WM in Finnland. Mit einem Sieg gegen Japan könnte sie der Pflicht auch schon Genüge getan haben

BERLIN taz ■ So sieht es also aus, wenn der Bad Tölzer Metzgermeister Zach zufrieden ist, und das auch noch von hinten bis vorne: Der Kopf ist mittelschwer errötet, die Halsschlagader zum Platzen gefüllt, die Augäpfel drohen sogleich aus ihren Höhlen zu springen, und in den Mundwinkeln sammeln sich leichte Krönchen von Schaum. Von großer Entspannung zeugt solcherlei Körpersprache nicht, schon eher von Strom, von mindestens 1.000 Volt. Oder vom leicht abgewandelten Titel einer Fernsehserie: „Der wilde Bulle von Tölz“. An diesem Abend steht Bulle Zach in einem kleinen Presseraum in der Berliner Deutschlandhalle, umringt von ein paar Reportern, und bellt seine Zufriedenheit direkt in deren Notitzblöcke und Mikrofone. Von „historischem Sieg“ schwadroniert der Zach-Hans da in bestem Feldwebelton, und dass er „sehr stolz“ sei, darauf nämlich, dass man Weißrussland endlich und erstmals habe schlagen können – im sechsten Anlauf und so kurz vor der am Sonntag beginnenden WM in Finnland. „Und das“, kläfft es weiter, „wo’s doch geheißen hat, dass wir nicht so gut vorbereitet sind.“

Alles Schmarren, so lautet wohl die Botschaft, was da mal wieder geschrieben und analysiert wurde im Vorfeld. „Wir sind sehr gut vorbereitet.“ Ein Zach-Hans, so die Botschaft, kriegt selbst das hin: eine Mannschaft ohne Vorbereitung vorzubereiten. Soll heißen: ohne ihre Besten. Die nämlich, sechs an der Zahl, waren bis letzten Sonntag noch im DEL-Finale beschäftigt, Zach, in Personalunion Trainer der Nationalmannschaft sowie der Kölner Haie, inklusive. „Das ist doch nicht das Problem“, sagt Zach. Schließlich hat er immer noch bis Sonntag Zeit, die Finalisten, die auch beim historischen 1:0-Sieg über Weißrussland am Mittwoch fehlten, zu integrieren. Ob das nicht schwierig sei in der Kürze der Zeit, will ein Reporter von Zach wissen. „Warum soll das schwierig sein?“, will Zach vom Reporter wissen. Der Reporter kann die Frage nicht beantworten. Zach ist schon wieder zufrieden. Erst als der Reporter vorlaut anmerkt, dass dann das Viertelfinale in Finnland wohl möglich sei, ist’s auch damit vorbei. „Unrealistisch. Unrealistisch“, bafft Zach den Reporter an. „Vom Papier sind alle stärker, nur die Japaner nicht. So ist das.“ Soll nur keiner anderes denken oder gar schreiben, bloß weil Deutschland bei Olympia 2002 und der letzten WM eben dieses Viertelfinale erreicht hat.

„Wenn die Mannschaft seit drei Jahren jeweils das Optimale aus sich herausgeholt hat, kann man doch nicht immer noch mehr von ihr erwarten“, sagt Zach, der sich mit seinen Erfolgen auch in ein ganz hübsches Dilemma hineinmanövriert hat, eben weil er sich nun an den selbst geschaffenen Wundern messen lassen muss und Hoffnung geschürt hat auf mehr. Zwar beharrt Zach stur darauf, dass der bloße Klassenerhalt in der A-Gruppe für seine Mannschaft „kein Selbstläufer“ sei, andererseits ist es in Helsinki so, dass schon ein Sieg im Auftaktspiel gegen Japan ausreichen könnte, um in der Gruppe, der noch die Ukraine und die Slowakei angehören, die Zwischenrunde zu erreichen, die Gefahr des Abstiegs zu bannen. Ein Sieg gegen Japan aber wäre der Öffentlichkeit ganz gewiss zu wenig als Bilanz einer zweiwöchigen WM, selbst Zach gibt ja zu, dass die Japaner zu schlagen sind.

Man muss den Eishockeytrainer aber auch verstehen. Leicht hat er es nämlich nicht, obwohl er behauptet, dass die Arbeit mit der Nationalmannschaft für ihn „eine Wohltat“ sei. Die Nachwuchsarbeit im DEB hinkt der anderer Nationen immer noch hinterher, deutsche Talente finden in der DEL nach wie vor nur mäßig Platz. Die Allerbesten, also jene, die es in die NHL geschafft haben, zeigen aus verschiedenen Gründen keine Lust, nach einer langen Saison auch noch mit der Nationalmannschaft nach Finnland zu fahren. „Es ist jedes Jahr dasselbe. Es geht jedes Jahr neu los“, sagt Zach. „Es fehlen ein paar Leute, aber wir können sie ersetzen, weil wir eine gute Einstellung und eine gute Moral haben.“

Und vielleicht ist diese Einstellung und Moral das größte Plus der deutschen Kufencracks – und wiegt selbst technische Unterlegenheit auf, Eishockey ist ja ein Kampfspiel. „Andere Nationen haben zwar mehr NHL-Spieler als wir, aber wir lassen sie dennoch in schöner Regelmäßigkeit hinter uns“, sagt Zach, der außerdem weiß, dass er sich aufs Glück verlassen kann, was er so formuliert: „Das Glück ist ein Rindvieh – und sucht Seinesgleichen. Da wird es mich schon finden.“ So hört es sich also an, wenn der Eishockey-Bundestrainer Hans Zach einen Witz macht.

FRANK KETTERER