Auge gegen Neid und Eifersucht

Rätselhaftes Leverkusen. Nach einer grandiosen Hinrunde schmiert die Bayer-Elf auch beim 1:3 gegen Bochum ab. Coach Augenthaler mit verbalem Rundumschlag gegen die eigene Mannschaft

„Vielleicht geht es um schnellere Autos oder um hübsche Frauen, ich weiß es nicht“, rätselt Klaus Augenthaler

VON ERIK EGGERS

Geschockt von dem, was er eben erlebt hatte, versuchte Klaus Augenthaler gar nicht erst, das brutale Déjà-vu zu kaschieren. „Ich hatte das Gefühl“, sagte der Leverkusener Trainer kleinlaut, „dass wir elf Einzelkämpfer auf dem Platz hatten.“ Die in den letzten Wochen nach Niederlagen stereotyp abgegebene Erklärung, der Mannschaft fehle lediglich die Durchschlagskraft vor dem gegnerischen Tor, sie griff nach dem 1:3 gegen Bochum jedenfalls nicht mehr. „Die alten Symptome“, sagte Augenthaler, „sind wieder aufgebrochen.“ Das Bild, das die Mannschaft am Samstag abgegeben hatte, erinnerte in der Tat in vielen Details an die Karikaturen der letzten Saison, in der Leverkusen beinahe abgestiegen wäre.

Dann holte Augenthaler richtig aus und schlug wild um sich – verbal, versteht sich. Seitdem er in Leverkusen arbeitet, beobachtet er Eifersucht und Neid in seiner Mannschaft. „Man kriegt das sehr viel mit“, so Augenthaler, beim Training und auch bei anderen Gelegenheiten. Die Gründe mag er nicht nachvollziehen. „Vielleicht geht es um schnellere Autos oder um hübsche Frauen, ich weiß es nicht“, so Augenthaler schulterzuckend. Ungewohnt offen verurteilte er, dass viele Spieler in seinem Kader versuchen würden, „die eigene Leistung in ein besseres Licht zu stellen“, es also an Selbstkritik und auch an Einstellung mangeln lassen. Das sind nun Dinge, die mit Augenthalers Philosophie vom Fußball nur schwer zu vereinbaren sind. „Jeder Spieler muss bei sich selbst anfangen“, findet Augenthaler, „seitdem ich hier bin, versuche ich zu predigen, dass Fußball ein Mannschaftssport ist“. Diese Predigten verfehlten am Samstag jedwede Wirkung, wie einige Szenen bewiesen.

Da war zum Beispiel die Situation, in der sich Juan kurz vor dem Pausenpfiff eine Gelbe Karte wegen Zeitverzögerung abholte, nur weil er nicht gewillt war, einen neben ihm liegenden Ball kurz ins Aus zu treten. Es gab unzählige Momente, in denen offensive Akteure wie Berbatov und Franca ihre Kollegen im Spiel nach hinten im Stich und schlecht aussehen ließen. Es war mithin das Gegenteil vom vorbildlichen Bochumer Laufspiel, in dem jeder für den anderen grätschte und rannte.

Aber Augenthaler musste sich ebenfalls Vorwürfe gefallen lassen. Denn er hatte die Verletzung Jens Nowotnys in der 26. Minute übersehen. Nach einem Zweikampf mit Hashemian humpelte der Bayer-Kapitän nur noch über das Feld. Er forderte keinen Ball mehr, bot sich nicht mehr an. Vor allem aber wurde Nowotny in vier, fünf Situationen ohne Weiteres von den flinken Bochumer Stürmern überlaufen. Alle im Stadion sahen, dass Nowotny angeschlagen war und eine Art Sollbruchstelle in der Verteidigung darstellte. Augenthaler: „Es kam kein Zeichen von außen, deshalb haben wir bis zur Pause gewartet.“ Er hätte nicht warten dürfen. Zu offenkundig war die Malaise beim Innenverteidiger.

Wie aber das derzeitige Dilemma in den Griff bekommen? Darauf hatte Augenthaler am Samstag keine Antwort parat. Das Gewitter durch die Allzweckwaffe Calmund, das in Krisen wie diesen zum Ritual geworden ist, ist ja bereits nach der 1:2-Heimniederlage verbraucht worden. Es hat nichts geholfen, abgesehen von fabelhaften 25 Minuten beim letzten Auswärtsspiel in Hannover. Jedenfalls wird es interessant sein zu beobachten, wie sich das angespannte Verhältnis des Trainers zu etablierten Nationalspielern weiterentwickelt. Dem Motto Augenthalers, „nur nach Leistung aufzustellen“, musste sich zuletzt der seltsam formschwache Bernd Schneider beugen. Er wurde passabel durch den Nobody Henning Fritz ersetzt. Dass der Trainer hingegen Nowotny zuletzt stets in Schutz nahm, obwohl der schlechte Leistungen ablieferte, soll in der Mannschaft nur eingeschränkt gut ankommen.

Der Traum von der Meisterschaft ist nach nur einem Punkt aus vier Rückrundenspielen geplatzt. „Ich habe weiterhin den Anspruch, Fünfter oder Sechster zu werden“, sagt Augenthaler nun. Auch dieses modifizierte Ziel liegt mit Leistungen wie gegen Bochum in weiter Ferne.