Karneval macht die Obrigkeit nervös

Ein Kölner beobachtet das Volk im Jahre 1802: „Bettzeug, Kleider und Hausrath werden versetzt, um während drey Tagen zu geniessen, was seit einem Jahr entbehrt ward“

Protest war schon immer im Spiel beim Kölner Karneval. Was die Obrigkeiten nervös machte, war oftmals die Vermummung. Wenn aufmüpfige Karnevalisten in Gestalt von Priestern oder Mönchen daherkamen, verspotteten sie die bereits unter Autoritätsverlust leidende Kirche – und zusätzlich auch den Stadtrat, der das vergeblich verbot. Doch auch ohne solchen Mummenschanz machte der Karneval des Volkes die Etablierten nervös.

Ein auswärtiger Besucher, der Münchner Hofrat und Reiseschriftsteller Albert Klebe, notiert 1800 naserümpfend: „Alle Wirtshäuser ertönten von Musik und Gläserklang und dem Brüllen und Jauchzen des besoffenen Pöbels. (...) Man sah hier nichts als Fuhrleute mit schmutzigen Kitteln, mit verzerrten Larven und lang herunterhängenden Haaren von Werg oder Flachs, Bauern in plumper, schmutziger Tracht, schmierige Caminfeger und altväterlich gekleidete Weiber. In diesem von Tabak, Punsch und Ausdünstungen duftenden Tumult trieb sich der Pöbel mit Entzücken herum.“

Verständnisvoller äußert sich zwei Jahre später ein Kölner Zeitgenosse in der Tageszeitung Der Beobachter: „In den Häuschen und Hütten der niederen und ärmeren Classe wird die Geschichte der Fastnachts-Farcen erzählt. Die unermesslichen Perücken von Flachs und Werg, die Nasen-Ungeheuer, mit allen Farben bemalt, und mit hundert Auswüchsen besetzt, die Zwittermasken, aus denen weder Geschlecht, noch Vaterland, noch Stand herauszurathen ist, werden in diesen Hütten geboren. Während mancher Goldpapier-König und mancher Sultan, zu dessen Talar ein Schlafrock und zu dessen Turban eine Serviette geliehen werden soll, ausgebrütet wird, ist kein Brod im Hause. Bettzeug, Kleider und Hausrath werden versetzt, um während drey Tagen zu geniessen, was seit einem Jahr entbehrt ward.“ Klaus Schmidt