fußpflege unter der grasnarbe
: Zu Höherem berufen

Viele Fußball-Schiedsrichter sehen sich als Führungspersönlichkeit, und deshalb drängt es sie zwangsläufig zu Höherem, wenn sie zu alt dafür sind, um sich auf dem Rasen noch als Sheriff oder Schulorchesterleiter zu gebärden. Der ehemalige Bundesliga-Referee Bernd Heynemann bezog 2002 für die CDU Sachsen-Anhalt eine Hinterbank im Bundestag, und der ecuadorianische Skandalschiri Byron Moreno, der 2002 Italien zu Gunsten des Gastgebers Südkorea aus dem WM-Turnier pfiff, versuchte kurz darauf, für eine ultrarechte Gruppierung in ein Lokalparlament einzuziehen.

Statt pfeifen nun das Volk vertreten will auch Carsten Byernetzki (TuS Hamburg und FDP). Mit 93 Einsätzen in der 1. und 2. Liga – als Schiedsrichter respektive dessen Assistent – hat er sich für die Bürgerschaftswahl den Listenplatz 9 erpfiffen, und für die Bezirksversammlung Bergedorf kandidiert er als Numero uno der Liberalen. Das schockiert mich etwas, denn während meiner Oberstufenzeit fabulierte ich für das im beschaulichen Hamburg-Curslack ansässige Fachblatt Fußball-Vorschau, bei dem der nunmehrige Mitbesitzer Byernetzki seinerzeit als Anzeigenchef amtierte. Wenn ein Ex-Kollege heute für die Blau-Gelben aufläuft – hat eigentlich jemals jemand geklärt, ob die Truppe ihre Farben bei Eintracht Braunschweig geklaut hat? –, dann drängt sich natürlich die Frage auf, ob man damals nicht selbst auch einen Schaden unterm Dach davongetragen hat.

Die für einen Politiker typischen Sprechblasen hat Byernetzki schon drauf („Ich möchte eine saubere, ehrliche und faire Politik abliefern. So wie es sich für einen Sportkameraden gehört“). Manchmal besinnt er sich aber auch auf alte Stärken, etwa, wenn er die „Rote Karte für Rot-Grün!“ zieht. Klingt doch viel besser, als wenn er angekündigt hätte, Christa Mierow oder Thomas Goetsch ein blau-gelbes Auge verpassen zu wollen.

Der Hang zu Fußball-Metaphern scheint in der Hamburger FDP-Filiale ohnehin stark ausgeprägt zu sein, und bestens illustrieren lässt sich das anhand eines PR-Textes, den die Bürgerschaftsfraktion Hamburg vor rund sechs Wochen verbreitete. Seinerzeit ging es um den Plan der SPD, Elite-Universitäten einzurichten, und obwohl die FDP-Fraktion dies prinzipiell „ausdrücklich unterstützt“, findet sie die, kein Witz!, „planwirtschaftlichen Konzepte“ der Sozis total bäh-bäh.

Der lokale Bildungs-Spezi der Liberalen malte deshalb folgendes Bild: „Die SPD verhält sich so wie ein Amateur-Fußballverein, der in der Bundesliga spielen will, seinen Spielern aber nur Amateurgehälter zahlt. Durch ein Real-Madrid-Gastspiel soll von den bisherigen Versäumnissen abgelenkt werden, das Geld holt er daher, dass die notwendige Stadionrenovierung auch noch eingespart wird. So macht man keine seriöse Politik.“

So weit, so brillant. Innovative Sprache auch („das Geld holt er daher, dass ...“)! Leider formulieren nicht alle freien Demokraten so konsequent fußball-gerecht wie dieser Bursche, der sich Dr. Wieland Schinnenburg nennt. Auf Wahlplakaten der Partei steht zum Beispiel groß „Olé, Olé, Olé“, aber darunter nicht „Super Hamburg FDP“, sondern „Nur mit der FDP“. Kein Wunder, wenn das nix wird mit den fünf Prozent.