Im leeren Raum

Jan Pusch zeigt sein preisgekröntes Erfolgsstück „Into the Blue“ in einer Wiederaufnahme auf Kampnagel

Der Mann auf der Bühne kehrt dem Publikum seinen durchtrainierten Rücken zu. Er dreht den Kopf, setzt einen energischen Beinschwung aus der Hüfte an. Exakt platziert er seine Glieder, wirft sich auf den Boden, als wolle er seinen Schatten einfangen, den einzigen Partner, den er in der Leere des aseptisch weißen Raumes hat.

Auf einmal kreuzen phosphorisierende Linien seinen Weg, rastern die Bewegung, greifen plastisch in die Choreographie ein. Flimmernde Lichtpunkte befallen seine Haut, spülen die Konturen seines Körper hinweg. Schnitt. Ende des ersten Teils.

Insgesamt sind es drei Teile, in denen der Hamburger Choreograph Jan Pusch die Kommunikation im digitalen Zeitalter untersucht. Drei Soli, ursprünglich choreographiert für die Tänzer Detlev Alexander, Fiona Gordon und Mata Sakka, die unter dem Titel „Into the Blue – Dance Solo for a Single Body“ im Frühjahr 2001 auf Kampnagel ihre Uraufführung erlebten und jetzt im Februar an den Ort ihrer Entstehung zurückkehren – nach ausgiebiger Welttournee und teils in neuer Besetzung.

Eigentlich sollte Puschs neue Choreographie, das Duett „Keep in Touch“, Premiere haben. Wegen Verletzung eines Tänzers ist diese nun in die nächste Spielzeit verschoben. Für Hamburg die Gelegenheit, das preisgekrönte Erfolgsstück „Into the Blue“ mit Detlev Alexander, Paula Scherf und der wundervollen Wobine Bosch in der Wiederaufnahme zu sehen.

Bei der deutschen Tanzplattform vor zwei Jahren in Leipzig kam für Jan Pusch der langersehnte Durchbruch. Die Produktion in Zusammenarbeit mit den fettFilm-Videokünstlern Torge Möller und Momme Hinrichs überzeugte, kreierte vielschichtige Ebenen eines Dialogs zwischen Choreographie und Raum. Der Tänzer, der Mensch, erschafft sich neu in einer virtuellen Welt, in der alle Beschränkungen aufgehoben scheinen. Die fettFilm-Artisten zaubern für jeden der drei Protagonisten originell und anders aus ihrer Trickkiste.

Für Jan Pusch war es die erste Auseinandersetzung mit dem Medium Video, an der er in seinen nächsten Projekten festhalten will. Bislang hatte Pusch in seinen Choreographien stets vehement gegen eine Verflüchtigung von Identität angekämpft. „Ich will Momente von Wahrhaftigkeit auf der Bühne erzeugen“, hat er einmal gesagt. 1998 war ihm das in dem Solostück „Please Help Yourself“ für die britische Tänzerin Fiona Gordon in bezwingender Weise gelungen. Der 1. Preis beim Internationalen SoloTanzTheater-Festival in Stuttgart brachte ihm damals bereits überregionale Aufmerksamkeit ein.

Seit genau 10 Jahren arbeitet der 1966 in Leipzig Geborene, den ein Engagement als Tänzer in Neumeiers Hamburg Ballett an die Elbe geführt hatte, in der freien Szene – als Choreograph, Regisseur, Autor, mitunter auch Komponist. Denn bevor er in Frankfurt und München ein Tanzstudium absolvierte, wurde er in der DDR am Klavier und Cello zum Musiker ausgebildet. Ein wahrer Tausendsassa, möchte man meinen. Dabei geht es Pusch letztlich immer darum, die unterschiedlichen Medien zu einem Gesamtereignis zu verschmelzen. Marga Wolff

Projections on the move part 1: „Into the Blue“, Wiederaufnahme 25., 27. + 29.2., 20 Uhr, Kampnagel