Hertha mal wieder reif für die Notaufnahme

Ein neuer Rückschlag für Hans Meyer, Hertha-Trainer und Chefoperateur des kränkelnden Fußballtums der Hauptstadt: Seine Blau-Weißen unterliegen im Kellerduell Eintracht Frankfurt mit 1:2, zeigen ein erschreckende Nichts an Fußball und führen die Sprüche ihres Chefs ad absurdum

Hans Meyer weiß seine Antworten der Situation anzupassen. In Berlin, wo er als Chefoperateur in der herthanischen Notaufnahme aktiv ist, sind seine Expertisen launig gehalten. Vielleicht, weil diese Art der Diagnose das dahin kränkelnde Fußballtum in der Hauptstadt unterhaltsamer macht und er sich als Herr der Lage erweisen kann – selbst bei großen Punktverlusten und heillos rumpelndem Personal.

Also verkündete Hans Meyer neulich, Hertha BSC sei die derzeit drittbeste Mannschaft Europas, äh, Deutschlands; kontinentale Dominanz war denn auch einem Meyer zu viel der Übertreibung. Er hätte seine ironische Erwiderung allein auf den Raum Berlin beziehen sollen. Nach dem Spiel gegen Eintracht Frankfurt am Sonntag steht nämlich fest, dass die Therapie Meyers im Charlottenburger Klinikum noch nicht richtig anschlägt. Hertha verlor im Olympiastadion 1:2 (0:1) – und bleibt damit in der Abstiegszone, jetzt, nach dem 21. Spieltag, auf Platz 17.

Der Puls der Blau-Weißen ist wieder schwächer geworden. Der Blutdruck sinkt an der Hanns-Braun-Straße, ja, Hertha BSC musste am gestrigen Abend seinen Top-Drei-Platz in Deutschland räumen – falls Meyer nicht trotzdem die heimliche Führungsposition vor Rückrundenversagern wie Bayer Leverkusen proklamiert.

All das hat ja auch einen Sinn. Meyer will seinen Spielern einimpfen: Jungs, was ihr da in der letzten Zeit gezeigt habt, ist noch längst nicht genug; und lasst euch auch getrost sagen, dass es nicht von selbst weitergeht, ihr müsst schon noch eine Schippe drauflegen.

Gegen die Eintracht sollte sich erweisen, wie Recht Meyer mit seiner Lektion hatte. Und seine Jungs schienen dies auch umsetzen zu wollen – allerdings nur die ersten fünf Minuten lang, als sich die Berliner spielfreudig zeigten. Danach produzierten sie viel Murks, genauer: ein erschreckendes Nichts an Fußball.

Die Frankfurter traten indessen selbstbewusst auf, erkämpften sich ein klares Übergewicht im Mittelfeld. Die Eintracht ist nicht schlecht in die zweite Saisonhälfte gestartet. „Wir müssen versuchen, in unserer Situation jedes Spiel zu gewinnen, wir sind jetzt dreimal ungeschlagen. Mal sehen, wie es heute weitergeht“, hatte Eintracht-Coach Willi Reimann vor dem Match der Kellerkinder gesagt. Meyer hatte die Befürchtung geäußert, „dass sie uns nicht die Räume anbieten, um Gefahr auszustrahlen“, und angemahnt, nach folgender Taktik zu verfahren: „Schnelles Spiel, gutes Spiel, keine Fehler im Rückraum, also die üblichen Klischees.“

Manchmal sind die Klischees, die besonders abgenutzt sind, immer noch die besten, jedenfalls im Fußball. Doch Herthas Spiel war weder gut noch schnell. Auch zeigte sich die Defensive nicht gerade aufgeräumt, im Gegenteil, in der 18. Minute vermeldete der Stadionsprecher das 0:1 von Du-Ri Cha. Dick van Burik hatte eine Freistoß verschuldet. Die Flanke verwertete der Eintracht-Stürmer mit einem gefühlvollen Kopfball zu seinem ersten Saisontor.

Das Leck im Mittelfeld versuchte Meyer durch Einwechslung von Niko Kovac (35. Minute) zu stopfen. Abwehrspieler Chahed verließ das Feld. Zu einer spürbaren Verbesserung führte die Umstellung nicht, zumal Marcelinho in der Rolle des Spielmachers völlig versagte. Nichts, aber auch gar nichts gelang dem Brasilianer. Und wie so oft, wenn Marcelinho schlecht spielt, zieht er das ganze Team mit in den Strudel des Misserfolgs. Gegen die Sogkräfte stemmte sich Nando Rafael mit dem Ausgleich (62.). Doch vier Minuten später sorgte Amanatidis für die erneute Führung der Frankfurter. Eine Antwort konnte Hertha BSC nicht mehr geben. Dafür ist derzeit Hans Meyer verantwortlich. MARKUS VÖLKER