Peking unter Quarantäne

Chinas Behörden bekommen die Lungenkrankheit SARS nicht in den Griff. Hospitäler und Knäste abgeriegelt. 2.422 Menschen erkrankt und 110 verstorben. In Peking erste Anzeichen von Panik

PEKING afp/taz ■ Mit drakonischen Maßnahmen versucht China seit gestern die weitere Ausbreitung der Lungenkrankheit SARS einzudämmen. Die Bevölkerung in Peking zeigt erste Zeichen von Panik. In der Hauptstadt wurden gestern sämtliche Gefängnisse sowie ein großes Krankenhaus abgeriegelt. Gefängniswärter durften die Haftanstalten nicht mehr verlassen und keinen Kontakt zu Angehörigen haben. Das Volkskrankenhaus der Peking-Universität mit über 100 SARS-Patienten wurde abgeschottet. Während Mitarbeiter berichteten, Personal und Patienten dürften das Krankenhaus nicht verlassen, sprachen die Behörden von Desinfektion und Patientenverlegungen.

Für Verdachtsfälle auf Erkrankung mit dem Schweren Akuten Respiratorischen Syndrom wurde landesweit sofortige Quarantäne angeordnet. Davon seien auch Haustiere und sämtliche Einrichtungen betroffen, in denen das SARS-Virus aufgetreten sei: Schulen, Fabriken, Restaurants und ganze Dörfer.

Chinas Behörden meldeten gestern weitere vier SARS-Tote in Peking und landesweit 125 neue Krankheitsfälle. Bisher starben in China 110 Menschen an SARS, 2.422 erkrankten. Auch Hongkong meldete 4 weitere Tote, deren Zahl auf 109 stieg, und 30 neue Erkrankungen. Die Gesamtzahl der Infektionen beträgt jetzt in der chinesischen Sonderzone 774. Nach Behördenangaben sind 567 Patienten bereits von SARS genesen. Der Hongkonger Medizinprofessor Sydney Chung Sheung Chee bezweifelte die offizielle SARS-Todesrate, die gestern von 5 auf 7,2 Prozent erhöht wurde. Er erklärte, er rechne mit einer Todesrate von mindestens 10 Prozent.

Die drastischen Maßnahmen und die steigenden Opfer- und Infektionszahlen lassen Pekings Bevölkerung immer nervöser werden. Am Flughafen und auf den Bahnhöfen bildeten sich lange Schlangen mit Menschen, die die Stadt schnell verlassen wollten. Gerüchte liefen um, Peking solle abgeriegelt werden.

Im Internet kursiert eine von chinesischen Intellektuellen lancierte Unterschriftenliste, in der die Regierung aufgefordert wurde, die vor einer Woche im Hinblick auf SARS gegebenen Versprechen der Offenlegung aller Daten und der freien Versorgung der Patienten einzuhalten. „Für unser Volk, unsere Rasse, den Frieden und die Sicherheit der Welt fühlen wir eine historische Verantwortung und machen deshalb diese Vorschläge“, heißt es darin.

Beobachter halten die für Schanghai offiziell angegebenen Zahlen mit nur zwei SARS-Fällen für zu gering und vermuten Parallelen zur vormaligen Vertuschung in Peking. Der deutsche WHO-Arzt Wolfgang Preiser vermutete gestern dutzende SARS-Fälle in Schanghai. HAN

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