Schmeichelnde Schleier

Musliminnen müssen keine Sackgewänder tragen, um ihre Reize zu verhüllen. Die erste muslimische Modenschau präsentierte einen tragfähigen Kompromiss zwischen Schleier und Minirock

AUS BERLIN COSIMA SCHMITT

An diesem Abend ist der Stoff der Star. Er funkelt und glitzert, streichelt Frauenwangen, schmeichelt Frauenhüften. Mal ist er glutrot, mal samtig, ist mit Goldfäden durchwirkt, mit Rüschen bestickt. Sittsam umhüllt er Arme, Beine, Hals und Haar. Und ähnelt doch gar nicht dem Sackgewand traditionsbewusster anatolischer Großmütter. In einem Neuköllner Hinterhaus feierten junge Musliminnen am Freitag die „Erfüllung in der Verhüllung“ – die erste islamische Modenschau in Berlin.

Designerin Katrin Weiland ist jung, blond, Christin und derzeit sehr nervös: Ihre erste Schau, die erste Kollektion, und dann so ein Projekt, voll Tücken im Detail. Mögen junge Musliminnen eher islamisch korrektes H&M – oder Nostalgie-Look à la Tausendundeine Nacht? Sind taillierte Jacketts bloß formschön – oder lenken sie Männerblicke auf wohlgerundete Hüften?

„Ich will den Ausgleich zwischen Trend und Kleidersitte“, sagt Weiland. „Das ist eine echte Marktlücke. Die jungen Türkinnen in Neukölln oder Kreuzberg wollen doch nicht aussehen wie ein Sack.“

Die Vorgaben sind strikt: Jedes Kostüm muss die Frau vom Handgelenk bis zum Knöchel bedecken, auch den Hals. „Deshalb habe ich so viele Stehkragen in der Kollektion.“

Der Frauenkopf – eine Ebene aus Tuch und Haut. Die Brust – unter losem Stoff versteckt. Die Models dürfen nicht mit den Hüften wackeln, nicht lächeln, nicht kokettieren. „Wir haben den Mädels eingeschärft: Keine Posen. Ihr seid lebende Kleiderstangen, mehr nicht.“

Weiland ist unsicher, möchte „keine religiösen Gefühle verletzten“. Sie schneiderte Kompromisse. Ein silberner Rock etwa ist seitlich geschlitzt, bis hoch übers Knie – doch enthüllt er nur eine Hose, kein nacktes Bein. Ein Model ist von Kopf bis Fuß in Tuch gewickelt. Das aber glänzt golden, schimmert und blendet im Glühbirnenlicht. Ein anderes Model umhängt die schmalen Hüften mit wallenden Röcken – drüber aber trägt sie schwarzes Leder wie eine Neuköllner Motorradbraut.

Im Publikum sitzen Frauen, die traditionsbewusst genug sind, ein Kopftuch umzubinden, aber auch so selbstbewusst, dass sie es in Orangerot wählen oder Ton in Ton zum Lippenstift. Zum Beispiel die Schwestern Sükran und Edibe. Mit dem Kamerahandy in der Hand lehnen sie am Laufstegrand, schießen Foto um Foto „als Erinnerung und zur Inspiration“. Eine Silberspange, ans Kopftuch geklammert, fanden sie das hübscheste Dekor. „Röcke kann man in Berlin gut kaufen. Und es gibt tolle Designerkopftücher. Aber der Rest? Oft nähe ich mir meine Sachen selbst“, sagt Sükran.

Um dies zu ändern, hat Organisator Firat Demir den „Prestige Festsaal“ in Neukölln gemietet, in dem sonst türkische Hochzeitspaare feiern. Weiße und violette Tücher, um die Eisengeländer gewunden, kämpfen gegen die Hinterhoftristesse.

Ein T-förmiger Laufsteg, weinrot bespannt, dient der Präsentation. Die sieben Models zeigen Mode, die elegant ist, aber nicht sexy, die dem Körper schmeichelt, ihn aber nicht betont. Die Frauen sind verhüllt, doch sie wirken nicht geschlechtslos. Sie sind attraktiv, auch unter vielen Metern Stoff.

Das ist gewünscht. „Wir wollen zeigen, dass islamische Kleidung auch modisch sein kann“, sagt Demir. Er will Musliminnen inspirieren, ihren eigenen Weg zu finden zwischen Schleier und Minirock, zwischen konservativem Islam und westlicher Moderne.

Sükran und Edibe sind trotzdem ein wenig enttäuscht. „Wir waren sehr gespannt, wie sie die Kopftücher binden. Wir dachten, wir sehen originelle neue Formen. Aber Fehlanzeige.“ Die Schwestern sind sich einig: Eine muslimischen Modedesignerin hätte auch daran gedacht.