Melancholisches von „Erdmöbel“

Zu Liedermachern hat Markus Berges ein zwiespältiges Verhältnis. „Eigentlich ein Wort, das in den 90er Jahren zu Recht verboten wurde“, sagte er einmal. „Zwar habe ich in jungen Jahren auch Georg Danzer gehört, doch als meine Punkrock-Phase begann, war mir das mächtig peinlich. Dennoch gibt es ein Erdmöbel-Stück mit der Strophe ‚Ich bin auch so ein Klaus-Lage-Typ‘.“ Wenn der Sänger und Texter von Erdmöbel „den unkünstlerischen Umgang mit Sprache“ moniert und einfordert, „mit den Songs wie mit Literatur umzugehen“, erinnert das an das Unbehagen, mit dem die Akteure der späteren Hamburger Schule in den späten 80ern vorgefundenem deutschen Liedgut gegenüberstanden. Und prompt empfehlen Internet-Foren die Ex-Münsteraner Erdmöbel auch Blumfeld-Hörern weiter.

Ausgerechnet das Schwarzkittel-Fachblatt Zillo befand 1996, Erdmöbel machten auf Das Ende der Diät „deutschsprachige Musik für die Jahrtausendwende“. Dem Superlativ muss man sich nicht anschließen, mit Gothic-Schauer hat das betont gereifte Erdmöbel-Großstadtsongwriting aber nach wie vor nichts zu tun. Auf ihrem unlängst bei Tapete veröffentlichten vierten Album Altes Gasthaus Love klingt immer wieder die verkaterte Grandezza von Element of Crime an, manchmal der Große-Gesten-Pop von Go Plus, die Tüftelfreude der Monostars oder auch die überambitionierte Spleenigkeit von Unicycleman. Die Texte sind dabei längst nicht so abgeklärt, wie der lakonische Gesang erwarten ließe.

Durchaus zweifelhafte, allzu nahe liegende Wortspielereien lassen seine von vornherein ja als „literarisch“ deklarierten Miniaturen gelegentlich ein wenig trivial wirken. Um Sehnsucht und besondere Momente im Alltäglichen geht es, dazu perlen Gitarren, zappeln verhaltene Breakbeats oder rieseln schwelgerische Keyboardschleier herab. Durchaus melancholisch ist das alles, gleichwohl befand der Rezensent des Rolling Stone: „Wenn Sie vorhaben, in diesem Jahr glücklich zu werden, besorgen Sie sich ‚Altes Gasthaus Love‘. Es hilft.“ ALEXANDER DIEHL

mit Montag: Sonnabend, 21 Uhr, Molotow