Nach selbst verordneter Pause

Live an den Reglern: Mit seinem neuen Album „Kangmei“ beweist Jörg Burger alias The Modernist Sonnabend im Click abermals, wie gut eine supergerade Bassdrum, freundliches Klickern und zuckersüße Vocals zusammengehen

Der Fred-Perry-Pullover, die dunkle Cordhose mit den Bügelfalten, sogar die Handhaltung beim Zigarettenrauchen, all das vermittelt Stilbewusstsein und sitzt auch perfekt. „Völlig überzogene Workingclass-Ästhetik“, sagt Jörg Burger alias The Modernist über seine äußere Erscheinung. Burger hantiert im Spät-Dancefloorzeitalter mit den Insignien der Mods. Unter den Elektronikproduzenten hierzulande ist er einer der Dienstältesten, das barocke Modedings passt also gut in diesen Rahmen.

Mit seinem Modernist-Alias blickt Burger nun auch schon auf drei Alben zurück. Das jüngste, Kangmei, ist vor kurzem nach einer selbst verordneten Kunstpause erschienen. Die Musik ist sofort wiedererkennbar. Ihr stromlinienförmiges Grooven, zu dem sich Handtaschen schwingen lassen, die straighte Vorwärtsbewegung und das freundliche Klickern der Keyboards hätte sich Burger längst patentieren lassen müssen.

Wir haben Burger vor langer Zeit getroffen. Die Erinnerung trügt nicht: Die Augen blinzelten müde, aber er strahlte vor Lebenslust. Womöglich ist das der rheinischen Herkunft geschuldet. Die Hauptstadt allen Frohsinns, Köln, ist auch Burgers Stomping Ground. Dort wurde die gerade Bassdrum, wenn schon nicht erfunden, dann doch zumindest aufs Nötigste abgespeckt. Und Burger, der einzig richtige Gentleman des straighten rheinischen Techno, war von Anfang an bei diesem Projekt dabei. Das Lebensgefühl ist, was zählt, sagt er. Modernist-Musik beschleunigt die gepflegte Party. Eleganz ist das Schlüsselwort. Burger fährt Autobiancchi und hört dabei am liebsten Pet Shop Boys und den Pyrolator.

Dieses Pochen auf die 80s-POP!-Sozialisation und die Beschwörung ihrer perfekten Oberflächen geht einher mit einem Negieren von Acidhouse, von Chicago und Detroit als wichtigen Orten der Musikgeschichte. Demnach entspricht der Kölner Ravesound Memphis, wenn Kraftwerks Düsseldorf das Mississippi-Delta ist. Burger selbst nennt seine Musik auch schon mal „uplifting Trance im kölschen Sinne“. Was eben meint, dass seine Definition von Techno zwischen Versunkenheit und Gasgeben lässig hin und her schaltet und selbst im Melancholie-Verhangenen noch euphorische Schwingungen erzeugt. Modernist-Musik ist prêt-à-porter, sie ist ultra melodiös, sie gleitet.

Und dieses Gleiten ist auf Kangmei schlafwandlerisch sicher. Auf den glatten Oberflächen spiegeln sich zuckersüße Vocals. Roddy-Frame-Schwärmereien aus der Westernphase von Aztec Camera und die Fanfaren-Refrains der Pet Shop Boys werden zu Gesangsharmonien transformiert. Was einst in im Burger/Ink Projekt Las Vegas (zusammen mit Mike Ink) als eine Art Absage an amerikanische Mythen begann, kehrt auf Kangmei wieder. Der Titel ist der chinesischen Sprache entlehnt und bedeutet so viel wie: Widerstehe Amerika. So nah am Ruling Sound war der Modernist noch nie. Julian Weber

heute, 23 Uhr, Click