Integration kaputtgespart?
: Experten kritisieren Kürzung von Förderstunden

Pädagogisches Desaster

Das Bremer Modell der integrativen Erziehung behinderter und nicht behinderter Vorschulkinder ist im 20. Jahr seines Bestehens nach Auffassung von Experten stark gefährdet. Die Kürzungen der Stadt beim begleitenden Fachpersonal steuerten „auf ein pädagogisches Desaster“ zu, warnte Gabriele Husheer in einem Beitrag für die neueste Ausgabe der Bremer Kirchenzeitung. Die leitende Behindertenpädagogin der Bremischen Evangelischen Kirche befürchtet, dass durch die Kürzung von Förderstunden für die Arbeit mit jedem einzelnen Kind „nur noch Minuten“ bleiben.

Von den Kürzungen sind Fachkräfte betroffen, die in den integrativen Gruppen künftig selbst nicht mehr fördern, sondern nur noch beraten können. Dazu gehören Behindertenpädagogen, Logopäden und Therapeuten. „Aus diesem Dilemma kommen wir nur heraus, wenn für die Gruppen von jeweils 20 Kindern zwei Erzieherinnen zur Verfügung stehen“, forderte Husheer. Dann bliebe Zeit für Fortbildungen und für vernünftige Betreuung, Förderung, Erziehung und Bildung der Kinder. Kirchliche und städtische Kindergärten wollen am 29. April mit einer Menschenkette für die Zweitkraft demonstrieren.

Unter dem Druck des gegenwärtigen Geldmangels könne „eine Beliebigkeit Einzug halten, in der jede Wurstelei als Integration bezeichnet wird“, sagte der Bremer Professor für Behindertenpädagogik, Georg Feuser. Sozialsenatorin Karin Röpke (SPD) verteidigte die Kürzungen. Die integrative Erziehung und Bildung bleibe ein inhaltlich richtiger Ansatz, der weiter verfolgt werden solle.

Natürlich seien vor dem Hintergrund der Sanierungszwänge Bremens und der knappen Finanzmittel auch in diesem Bereich Grenzen gesetzt. „Die Integration ist und bleibt jedoch fester Bestandteil meines Kindergarten-Konzepts für die kommenden Jahre, wozu auch eine personelle Verstärkung für die Kindergarten-Gruppen gehört“, sagte Röpke.

Die bei ihrer Einführung bundesweit als Modellprojekt gefeierte integrative Kindergartenarbeit in Bremen begann am 1. August 1982 in der Bonhoeffer-Gemeinde der Bremischen Evangelischen Kirche mit elf behinderten Kindern und einem Finanzvolumen von 60.000 Mark. Heute werden in 78 kirchlichen Kindergärten, Spielkreisen und Horten 450 Kinder mit einem Etat von knapp sechs Millionen Euro gefördert. Auf einem europäischen Fachkongress am 15. und 16. Mai soll anlässlich des Jubiläums im Bremer Rathaus über die integrative Kindergartenarbeit diskutiert werden. epd